JoJo Und Ich
Vertrauensverhältnis nicht aufs Spiel setzen wollte, das für den medizinischen Eingriff so wichtig sein würde. Zumindest die frischen Einstiche sahen aus, als würden sie sich ohne Weiteres behandeln lassen. Jetzt wollte ich erst einmal wie üblich mit JoJo schwimmen. Er folgte mir zwar, war aber sehr zurückhaltend und sah immer zu, dass seine verletzte Seite geschützt blieb.
Am Abend kontaktierte ich Dr. Mark Woodring, den ortsansässigen Tierarzt.
»Ich sehe mir den Patienten morgen an«, versprach Mark.
Am nächsten Tag berieten wir uns am Strand, bevor ich JoJo rief. Wir suchten uns ein abgelegenes Plätzchen, an dem wir ungestört waren und Mark die Beule und die Einstiche in Augenschein nehmen konnte. JoJo vertraut Fremden nicht ohne Weiteres und behält sie immer sehr gut im Auge. Wenn man sich zu schnell bewegt oder JoJo ohnehin schon nervös ist, zieht er sich sofort zurück, und dann kann es eine Weile dauern, bis er sich wieder hervortraut. Hat JoJo jedoch keine besonderen Bedenken, darf sich ihm auch ein Fremder langsam nähern. So machte es Mark jetzt, und JoJo beobachtete ihn. Immerhin war ich dabei, und da er mir vertraute, ließ er den Arzt nahe genug heran, dass er sich ein Bild vom Zustand des Delfins machen konnte.
Zu einer medizinischen Untersuchung gehört natürlich, dass der Körper abgetastet wird und dass man den Schnabel öffnet, um auch dort nach dem Rechten zu sehen. Wenn JoJo krank ist, kommt meist ein übler Geruch aus seinem Blasloch, die Augen sind weitgehend geschlossen und er hält sich – außer von mir – von Menschen fern. Aber auch bei mir war es so, dass die Initiative immer von ihm ausgehen musste. Ich konnte ihm das Signal geben, mit dem ich darum ersuchte, ihn berühren zu dürfen, dann aber musste er seine Bereitschaft bekunden, sonst ging überhaupt nichts.
»Sie müssen wissen«, sagte ich, »dass wir ihn nicht zwingen können, sich einer medizinischen Untersuchung zu unterziehen. Wenn wir das versuchen würden, wäre er sofort verschwunden. Aber vielleicht reagiert er ja auf mein Signal.« Ich wünschte es mir sehr. »Achten Sie genau auf seine Reaktionen«, fügte ich hinzu. »Wenn er zuckt, wenn sich sein Schnabel bewegt oder er die Augen aufreißt, sind das Zeichen, dass ihm irgendetwas unangenehm ist.«
»Verstehe«, sagte Mark und trat behutsam einen Schritt näher.
»Fertig?«
Mark nickte. Ich musste äußerst vorsichtig vorgehen, um JoJo in eine für die Untersuchung geeignete Lage zu bringen. Wenn der Delfin nicht ganz entspannt blieb, würden ihm sofort frühere Traumatisierungen einfallen und er würde sich nicht so kooperativ zeigen, wie es in diesem Fall unverzichtbar war. Wir mussten seine Bedürfnisse und Grenzen unbedingt respektieren, denn nur wenn er Vertrauen zu uns hatte, würden wir ihn untersuchen können.
Sobald ich den Arm ausstreckte, um seinen Körper zu berühren, sah ich, dass sich JoJos Augen weiteten. Also ließ ich wieder von ihm ab. Ich wechselte einen Blick mit Mark und atmete tief ein und aus, um die Ruhe ausstrahlen zu können, die JoJo jetzt brauchte. Ein, zwei Minuten blieben wir im hüfttiefen Wasser stehen, bevor ich einen zweiten Anlauf wagte, doch immer wenn ich in die Nähe der schmerzenden Stelle kam, erstarrte mein Freund.
»Vielleicht tut er sich leichter, wenn Sie ein bisschen zurücktreten«, sagte ich.
»Ja, gut.« Mark entsprach meiner Bitte.
Diesmal ließ sich JoJo tatsächlich von mir anfassen. Ich drehte ihn so, dass er quer zu Marks Blickrichtung lag, und rollte ihn ein wenig auf die Seite. Dann gab ich dem Tierarzt mit dem Kopf ein Zeichen, näher heranzukommen und die Verletzungen und Schwellungen zu begutachten. Gleich ging wieder ein Ruck durch JoJos Körper, sodass ich ihn loslassen musste. Immerhin ergriff er nicht die Flucht, sondern umrundete mich nur ein paar Mal. Mark sollte offenbar wieder zurücktreten. Erst danach fand sich JoJo wieder bereit, stillzuliegen und sich von mir anfassen zu lassen. Es kostete einige Zeit und Geduld, doch schließlich hatte sich Mark ein Bild gemacht und konnte eine Behandlung vorschlagen.
»Danke«, sagte ich. »Vielleicht kann ich Sie dafür zum Essen einladen.« JoJo schwamm in die türkisblaue Weite hinaus und wir wateten zurück an den Strand.
»Das ist nicht nötig«, sagte Mark. »Ich habe es gern gemacht, schließlich komme ich nicht alle Tage so nah an einen wilden Delfin heran.«
»Ich weiß, aber es bietet sich an. Ich werde hier in den Loka len
Weitere Kostenlose Bücher