JoJo Und Ich
nämlich meistens gratis verköstigt, weil die Wirte die letzten Neuigkeiten über JoJo hören möchten und sich dann auch immer andere Gäste dazusetzen und sich am Gespräch beteiligen.«
»Wenn das so ist, wie wär’s mit Hummer?«, sagte Mark grinsend.
Lachend machten wir uns auf den Weg, erst unter die Dusche, dann zum Essen.
JoJo litt wie jedes andere Lebewesen, wenn er krank war, und ich musste damit rechnen, dass sich auch sein Verhalten ändern würde. Deshalb informierte ich die Hotelinhaber und Bootsbetreiber am Abend über seinen Zustand und schloss die Warnung an, dass man sich nicht auf seine bekannten Verhaltensweisen verlassen könne. Auch die Gäste sollten erfahren, dass sie den Delfin unter gar keinen Umständen stören durften, falls sie ihn irgendwo sahen. Über das Lokalradio wurden die Bewohner der Gegend von JoJos Zustand in Kenntnis gesetzt und um Mithilfe bei der Beobachtung gebeten. Kranke Tiere können sehr unzugänglich und unberechenbar werden und setzen sich oft energisch gegen jede Annäherung zur Wehr.
Am nächsten Tag rief ich JoJo vom Strand aus, um seine Wunden mit dem von Mark verschriebenen Lokalantibioti kum zu versorgen. Der Abszess daneben verlangte nach einem anderen Antibiotikum, das wir aber erst bestellen mussten. JoJo wirkte immer noch sehr matt und zeigte keinerlei Interesse daran, mit mir zu spielen. Da ich jedoch allein war, kam er bereitwillig näher und ließ sich ohne Anzeichen von Unbehagen in eine Lage bringen, in der ich ihn behandeln konnte. Ich trug die Salbe auf die Wunden auf, ohne die Schwellung daneben zu berühren. Vom Strand aus erkundigten sich einige, ob JoJo wieder ganz in Ordnung kommen würde. Das wusste ich natürlich nicht, hoffte jedoch auf den bestmöglichen Ausgang. Ich sagte den Leuten, JoJo werde medizinisch behandelt und genau beobachtet.
Die Anteilnahme der Inselbewohner machte es tatsächlich leichter, die Entwicklung von JoJos Gesundheitszustand genau zu verfolgen. Sogar über den für den Bootsverkehr verwendeten Funk-Kanal wurden Neuigkeiten über den Delfin und seine letzten Standorte ausgetauscht. Und natürlich rief ich ihn jeden Tag zum Strand, überprüfte den Zustand der Schwellung und versorgte seine Wunden mit der antibioti schen Salbe. Er wirkte jedes Mal sehr langsam und lustlos, und ich konnte nur hoffen, dass sich die Behandlung der Wunden auch auf den Abszess positiv auswirken würde.
»Es tut mir so leid für dich, JoJo, aber wir tun alles, damit es dir bald besser geht«, beruhigte ich ihn, während ich die Salbe auftrug. Wie gut, dass er sich so willig behandeln ließ – unsere Verbindung war offenbar wirklich sehr intensiv geworden. Aber es tat doch weh zu sehen, wie mühsam er mich umrundete und wie matt und eckig seine Bewegungen wirkten, wenn er anschließend wieder wegschwamm.
Es vergingen fünf Tage, in denen jedoch kein Rückgang der Schwellung zu erkennen war. Im Gegenteil, sie hatte inzwischen die Größe einer Grapefruit angenommen. Zum Glück heilten jedoch wenigstens die frischen Wunden bald ab. Seine Bewegungen wurden immer ungelenker, zunehmend beschränkte er sie auf das Notwendigste – atmen, essen und den vielen Menschen ausweichen. Er verlor auch an Gewicht und wirkte von Tag zu Tag dünner. Sogar im Umgang mit mir war nichts mehr von seiner alten Begeisterung zu sehen und Lautäußerungen hörte ich auch keine mehr von ihm. Ich fragte mich, wie schlimm es tatsächlich um meinen Freund stehen mochte.
Am sechsten Tag kam JoJo nicht, als ich ihn rief. Die letzten Meldungen besagten, dass sich sein Zustand nicht gebessert hatte und er an nichts und niemandem Interesse zeigte. Das nun fand ich wirklich besorgniserregend. Suchte er in der Einsamkeit Genesung oder ging es ihm schlechter, als ich dachte? Vielleicht war er weiter draußen und mochte nicht auf meinen Ruf reagieren. Vielleicht war er sogar so weit weg, dass er mich gar nicht hörte. Als die Sonne unterging, verließ ich den Strand und versuchte, meine wachsende Besorgnis zu verdrängen.
In dieser Nacht aber konnte ich kaum schlafen und in der nächsten auch nicht. Ich warf mich im Bett herum, sah in Albträumen JoJos entzündete Haut vor mir, sah Haifisch- und Muränenmäuler Fetzen aus seinem Körper herausreißen und sie gierig verschlingen. Völlig verschwitzt wachte ich auf. Wenn doch nur endlich der Morgen kommen wollte mit seiner frischen Brise vom Meer, von dort, wo mein Freund war.
Am dritten Tag kam JoJo wieder nicht, als ich
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