Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Joli Rouge (German Edition)

Joli Rouge (German Edition)

Titel: Joli Rouge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Fischer
Vom Netzwerk:
optimal. Wenn wir ihn achtern
kreuzen, können wir ihn von der Luvseite einnehmen. Er
müsste gegen den Wind ankreuzen, um den Abstand zu uns zu
verringern. Das wagt er nicht!« L’Olonnais schritt
angespannt auf und ab. »Bringt mich an ihn heran, ihr
Landratten! Wenn er auf das Festland zuhält und wir ihn
verlieren, erschlage ich jeden Einzelnen von euch!«, brüllte
er aufgebracht.
    Antoine beobachtete das Treiben und ging gerade
rechtzeitig in Deckung, als L‘Olonnais den Steuermann
niederschlug, um selbst das Ruder zu übernehmen. Unruhe
breitete sich aus. Die Stimmung des Kapitäns übertrug sich
auf die Mannschaft und machte die Männer aggressiv. Erste
Pöbeleien folgten. Ein Schiffsjunge, der dem Bootsmann im
Weg stand, wurde grob über das Deck geprügelt. Antoine
sprang augenblicklich dazwischen.
    »Keine Auseinandersetzungen unter Brüdern an Bord eines
Schiffes!«, erklärte er bestimmt und hielt dem
Verantwortlichen den Säbel an sein rundliches Kinn. »Habt
Ihr den Kodex vergessen? Entweder wir kämpfen Seite an Seite
oder wir sterben Seite an Seite!« Die Männer sahen von
Antoine zu L’Olonnais, der breitbeinig am Steuerrad stand
und sie anstarrte.
    »Im Gefecht gegen den spanischen Händler zählt jeder
Mann«, fuhr Antoine fort. »Ihr kämpft für dieses Schiff und
ihr kämpft für euch!«
    In den Augen der Männer flackerte Argwohn auf. Derartige
Worte waren ihnen fremd. Wer auf der
La Poudrière
anheuerte,
unterstellte sich vorbehaltlos dem Kapitän. Er war Herr über
Leben und Tod.
    »Antoine!« L’Olonnais‘ Stimme klang gefährlich. Die Männer
zuckten zusammen. Antoine bedachte sie mit einem letzten
Blick, bevor er auf das Poopdeck zurückkehrte.
    Der Olonnaise musterte ihn. »Was sollte das? Das ist mein
Schiff und der Kodex ist für mich ohne Bedeutung. Begreif
das endlich!«
    Antoine nickte. Sein Eingreifen war spontan gewesen. Er
bereute es nicht.
    »Übernimm das Ruder«, befahl L’Olonnais, und Antoine
gehorchte. Kaum umfasste er das gewaltige Steuerrad, drückte
sich der Kapitän vertraulich gegen ihn.
    »Beim nächsten Ungehorsam wird das deine Position sein«,
zischte er. »Dann endest du als Munitionsfutter.«
    »Ich lasse nicht zu, dass ich auf diese unwürdige Art
sterbe. Du wirst mich wegen Befehlsverweigerung erschießen
müssen, denn ich werde dir stets in den Kampf folgen.«
    L’Olonnais spuckte aus und lachte. »Bei meinen wankenden
Masten! Mit dir an meiner Seite kann ich den Teufel selbst
besiegen!« Er zog den Säbel und schrie: »Auf
Gefechtsposition, Männer!«
    Die Stimmen der Brüder erhoben sich zu einem ungestümen
Crescendo, das mittlerweile auch dem fliehenden Spanier
nicht mehr entgehen konnte. Ihr Gebrüll löste die Spannung,
die in der Luft lag, und ersetzte das zermürbende Warten
durch hektische Betriebsamkeit. Die
La Poudrière
blieb hart
am Kurs. Ihr wogender Bug schob sich immer näher an ihr
Opfer heran. Die Gischt benetzte das Deck, als sie es
achtern kreuzte und sich luvseits näherte. Erste Schüsse
waren zu hören.
    L’Olonnais griente. »Wir sind noch nicht in Schussweite,
doch er feuert bereits. Die Angst sitzt ihm in den Planken.«
    »Er ist voll beladen und hat zu viel Tiefgang. Wenn er
seine Kanonen abfeuert, verliert er an Fahrt. Bring die
Bukaniere in Stellung. Sobald wir auf achthundert Fuß an ihn
herankommen, sollen sie auf alles feuern, was sich bewegt«,
bemerkte Antoine.
    L’Olonnais nickte zustimmend. »An die Gewehre!«, brüllte
er über das Deck.
    Sein Befehl wurde einem Echo gleich von Mann zu Mann
weitergegeben. Antoine sah, wie die Bukaniere Deckung hinter
der Reling suchten und ihre geladenen Musketen unter Tüchern
verbargen, um das Pulver vor eindringender Feuchtigkeit zu
schützen. Die Männer waren nervös. Jeder lauschte auf
Schüsse des Feindes und die Anweisungen des Kapitäns. Noch
war keine Kugel weit genug geflogen, um der
La Poudrière
Schaden zuzufügen.
    »Kanonen klar machen!« L’Olonnais beobachtete das
feindliche Schiff. Seine Nasenflügel blähten sich wie die
Nüstern eines gehetzten Pferdes, seine Hände umklammerten
das Fernrohr.
    »Er versucht, abzudrehen!« Antoine bemerkte als Erster das
Dichtholen der Segel.
    »Hart backbord! Bringt mich an ihn heran, ihr
Bilgenratten! Und ladet die verdammten Kanonen!« L’Olonnais‘
Stimme überschlug sich.
    Antoine legte sich mit aller Kraft ins Ruder und riss die
La Poudrière
herum. Seine

Weitere Kostenlose Bücher