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Joli Rouge (German Edition)

Joli Rouge (German Edition)

Titel: Joli Rouge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Fischer
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die Arme vor der Brust. »Antoine Hantot war ein anerkannter
Mann unter den Flibustier, und er gilt offiziell als mein
Vater. Niemand kann beweisen, wessen Sohn ich wirklich bin,
und meine Mutter ist tot. Keiner kann sie mehr fragen.«
    »Wie überaus dienlich für dich!« Jacquotte ging auf ihn
zu, aber Pierre entzog sich ihr. Sie setzte ihm nach. Die
Schmerzen waren wie weggeblasen. Bisher hatte sie geglaubt,
dass ihnen beiden der Zutritt zur Bruderschaft verwehrt war.
Diese Gegebenheit hatte sie auf besondere Weise verbunden.
Doch nun hatte sich das Blatt gewendet, und wie es aussah,
gab es im Lager der Ausgeschlossenen nur noch sie und
Manuel. Jacquotte wurde immer wütender.
    »Verräter«, beschimpfte sie ihn. »Du wagst es, dich Freund
zu nennen und mir dann nichts von alldem zu erzählen?
Hinterhältiger Hund!«
    Pierre beschleunigte sein Tempo. Einer seiner Schritte
erforderte zwei von Jacquotte, aber sie ließ nicht von ihm
ab.
    »Was ist? Rede! Oder lässt du dir vom Kodex inzwischen den
Mund verbieten?«
    Pierre packte sie blitzschnell bei den Schultern und
drückte sie gegen einen stämmigen Baum. Sie versuchte, ihn
zu treten, aber er wich ihr geschickt aus. Die Rinde
scheuerte an ihren Verletzungen, doch sie spürte nichts von
alledem, denn Pierres Gesicht kam ihrem immer näher. Sie
hielt den Atem an. Die befremdenden Gefühle bahnten sich
erneut einen Weg an die Oberfläche.
    »Der größte Fehler deines Vaters war es, dir keine
Erziehung angedeihen zu lassen«, sagte er scharf. »Du kennst
deine Grenzen nicht, Jacquotte! Die Bruderschaft ist eine
ehrenwerte Sache. Du solltest nie über Dinge urteilen, von
denen du nichts verstehst.«
    Er verengte die Augen, bevor er sie auf den Mund küsste.
Jacquotte erstarrte. Es fühlte sich gut und beängstigend
zugleich an. Ihre Gedanken überschlugen sich. Für einen
kurzen Moment ließ sie ihn gewähren. Doch dann legte er
seine Hände auf ihre Brust.
    »Und du solltest dich nicht mit Gegnern anlegen, denen du
nicht gewachsen bist.« Jacquotte hieb ihm in den Magen. Der
Angriff brachte nicht den erwarteten Erfolg. Pierre griff
nach ihrer Kehle. Instinktiv zückte sie das kleine
Jagdmesser, das sie stets bei sich trug. Überrascht sprang
er zurück, aber sie ließ ihn nicht entkommen und zog ihm das
Messer wütend über die Brust. Dann glitt sie zu Boden,
rollte einmal um ihre eigene Achse und stand sofort wieder
auf den Beinen, bevor Pierre reagieren konnte. Er fluchte
derart, dass Manuel sich die Ohren zuhielt.
    »Was ist nur mit dir los, du verrücktes Weib? Manchmal
habe ich das Gefühl, ein ganzer
huraca'n
wütet in deinem
Kopf.« Er fuhr mit den Fingern über seine Brust und
betrachtete das Blut, das an ihnen haften blieb.
    »Ich kenne dich nicht mehr«, schimpfte er und trat
impulsiv gegen den Baum. »
Merde

    »Ich sollte es sein, die winselt«, stellte Jacquotte fest.
»Ich bin jedem Mann in dieser Siedlung ebenbürtig, aber du
erkennst das nicht!«
    Bevor Pierre etwas erwidern konnte, vernahmen sie eine
Stimme hinter sich: »Jedem Mann? Beim Namen Neptuns, welch
eingebildetes Kind maßt sich an, solch lächerliche
Behauptungen aufzustellen?«
    Jacquotte flog herum. »Jérôme!«
    Sie war froh, ihn zu sehen, und lachte auf. Er war barfuß,
trug wadenlange, schwarze Hosen, ein helles Leinenhemd und
darüber einen grauen Rock mit silbernen Knöpfen. Um seine
Hüfte war ein leuchtend rotes Tuch geschlungen, ebenso um
seinen Kopf, auf dem zusätzlich ein runder, schwarzer Hut
mit aufgeklappter Krempe thronte. Er lehnte entspannt auf
einer Muskete, deren Beschläge mit seinem üppigen
Halsschmuck um die Wette funkelten, während Lachfältchen
sein sonnengebräuntes Gesicht durchzogen. Aufmerksam ließ er
den Blick erst über Jacquotte, dann Manuel und Pierre
schweifen, bevor er wieder an Jacquotte hängen blieb.
    »Hol mich einer Kiel, du bist wahrhaftig kein Kind mehr«,
konstatierte er, trat näher und fasste sie am Kinn.
    »Seid ihr überfallen worden?« Er musterte die Schrammen in
ihrem Gesicht und sie wich ihm rasch aus. Als keiner etwas
erwiderte, sah er Pierre an, der ein trotziges Gesicht zog:
»Was ist? Hat man dir die Zunge herausgeschnitten, Pierre
Hantot?«
    Pierre schüttelte den Kopf und wechselte einen kurzen
Blick mit Jacquotte. Jérôme bemerkte es, lachte schallend
und hieb Pierre wohlwollend auf die Schulter.
    »Wohl dem, der ein Geheimnis für sich behalten kann. Ich

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