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Joli Rouge (German Edition)

Joli Rouge (German Edition)

Titel: Joli Rouge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Fischer
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in einem Zug.
Als ihr Vater ihr den Rücken tätschelte, rutschte sie von
ihm ab. Tränen kämpften sich an die Oberfläche, aber sie
blinzelte sie fort. Dabei begegnete sie Pierres forschendem
Blick und kroch zu Manuel ins Zelt. Das Fest ging weiter,
doch es war, als hätte man sie ausgeschlossen. Zum ersten
Mal in ihrem Leben fühlte sie sich nicht wohl in der
Gesellschaft der Männer. Sie war eine Frau. Die Männer
wussten das, und seit diesem Tag wusste es auch Jacquotte.

Kapitel 2
    Nordwestküste von La Española, Herbst 1658
     
    Der Regen hatte aufgehört. Leichter Dampf stieg aus der
Erde empor, während Jacquotte begann, einen Baum zu fällen.
Rasch fand sie ihr Arbeitstempo und lauschte auf den Takt
der Schläge, die von den benachbarten Hügeln widerhallten.
Die zunehmende Hitze des Tages bremste sie ebenso wenig wie
die Blasen an ihren Händen. Nachdem der Baum gefallen war,
teilte sie ihn in gleichmäßige Stücke, entrindete Äste und
sortierte sie, bis genug Material beisammen war, um die
beiden Schweine zu räuchern, die sie am Morgen erlegt hatte.
Erst dann gönnte sie sich eine kurze Rast, schnürte Holz und
Zweige geschickt zu einem Bündel und warf es über die
Schulter. Den Rest wollte sie in den nächsten Tagen holen.
    Es war Nachmittag, als sie den Heimweg antrat. Pierres
gefleckter Hund, der nicht mehr von ihrer Seite wich,
bildete die Vorhut. Dank seiner Witterung bemerkte sie die
entfernten Rufe. Dann drängten sie sich zusehends in ihr
Bewusstsein, und Jacquotte blieb stehen. Der Wald schluckte
das Echo und es war schwierig, die Richtung auszumachen, aus
der die Laute kamen. Es fielen Schüsse. Jacquotte zuckte
zusammen. Sofort ging sie hinter einer Gruppe Schösslinge in
Deckung. Wie eine Welle brandeten die Geräusche über sie
herein. Schritte kamen näher. Äste knackten und scheuchten
Buschhühner auf, die lärmend das Weite suchten. Der Hund
bellte. Jacquotte zog ihre Machete. Sie erkannte die
Stimmen. Es waren Männer aus der Siedlung, die panisch
durchs Unterholz brachen. Wie gehetzte Stiere hielten sie
auf sie zu, und Jacquotte verstand sie endlich. Spanier! Ein
Überfall! Ihr Herz klopfte. Sie trat aus ihrem Versteck und
stellte sich den drei Männern in den Weg. Fast hätten sie
sie umgerannt. In ihren Gesichtern stand das Grauen, das sie
bereits kannte, und ihre Vermutungen bestätigten sich.
    »Fort von hier! Die Spanier! Sie greifen das Dorf an«,
stammelte einer der Männer und warf ihr eine seiner Musketen
zu. »Lauf!«
    Jacquotte blieb, wo sie war. Verärgert drückte sie das
Radschloss hinunter und hielt dem Flüchtenden die Waffe an
die Brust. »Gib mir gefälligst auch deinen Pulverbehälter
und Kugeln!«
    Der Mann fingerte an seinem Gürtel herum und warf ihr
einen silbernen Behälter samt Ledersäckchen zu. Er starrte
sie an.
    »Bist du noch normal, Weib? Das sind spanische
lanceros
,
gut fünf Dutzend an der Zahl, denen nicht nach Scherzen
zumute ist.«
    »Auch mir ist nicht zum Scherzen«, erwiderte Jacquotte und
entkorkte den Behälter mit den Zähnen. »Und wenn ich nur
einen verwünschten
lancero
in den Tod schicken kann, dann
ist es mir die Sache wert.«
    Geschickt füllte sie das Pulver in die kleine Öffnung,
ließ das kugelförmige Projektil in den Lauf rollen und
stopfte alles mit dem Ladestock, der sich in der Scheide
unter dem Lauf befand, fest. Dann wies sie mit ihrem Kinn in
Richtung Wald.
    »Lauft weiter, ihr winselnden Hunde, und sorgt euch nicht
um mich!«
    Die Männer zögerten. Jacquotte bemerkte die Veränderung in
ihren Gesichtern und grinste.
    »Lauft nur«, wiederholte sie. »Ich werde keinem verraten,
dass ihr eine Frau im Stich gelassen habt.«
    Mit diesen Worten setzte sie sich in Bewegung und pirschte
sich auf geheimen Pfaden an die Siedlung heran. Die Angst um
ihren Vater und Manuel wurde übermächtig, und sie rief sich
zur Ruhe. Pierre hatte ihr einmal gesagt, dass man mit
Furcht im Herzen ein schlechter Kämpfer war. Die Schritte in
ihrem Rücken verrieten ihr, dass sie Begleitschutz hatte.
Die Männer hatten sich anscheinend dazu entschlossen, ihr
Heil nicht in der Flucht, sondern im Angriff zu suchen. Sie
entspannte ein wenig.
    Je näher sie der Siedlung kamen, desto nervöser wurde die
Stimmung. Auch ohne Worte bemerkte sie die Unruhe der
Männer. Der Hund sträubte sein Nackenhaar. Als sie ihm
beruhigend über den Kopf strich, knurrte er.
    Jacquotte aktivierte alle

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