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Joli Rouge (German Edition)

Joli Rouge (German Edition)

Titel: Joli Rouge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Fischer
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werde mich nicht über euer Gemunkel auslassen, wenn ihr mir
schleunigst zur Siedlung folgt. Émile ist außer sich, weil
sein Sonnenschein noch nicht zurück ist.« Er drehte sich
wieder zu Jacquotte um und sah sie strafend an.
    »Wo hast du dich herumgetrieben? Ich hätte deine Hilfe
brauchen können.«
    Sie konnte sich ein triumphierendes Lächeln in Pierres
Richtung nicht verkneifen, als sie sich an Jérômes Seite
stellte. »Wir waren bei den Pflanzern.«
    »O-ho«, rief Jérôme. »Kein Wunder, dass ihr elend ausseht.
Dann kommt, die Schweine liegen längst auf den Feuerstellen,
und es würde mich nicht wundern, wenn die Männer sie bereits
halb roh verzehren. Wir sind voll von Geschichten, aber leer
in den Mägen.«
    Er trieb Manuel spielerisch vor sich her, während Pierre
mit düsterem Blick hintendrein schlich. Der Hund trottete
mit hängenden Ohren neben ihm her und sah genauso
bedauerlich aus wie sein Herr. Jacquotte versuchte, beide zu
ignorieren. Der Angriff war ihr unangenehm und sie verstand
nicht, was geschehen war.
    Als sie die Siedlung erreichten, war das Fest bereits in
vollem Gange. Erhellt vom
bois de chandelle
, dem Kerzenholz,
das in großen Stümpfen ringsum die Siedlung in Brand
gesteckt worden war, lungerten die heimgekehrten Männer um
riesige Holzfässer herum. Aus Erfahrung wusste Jacquotte,
dass sie randvoll mit Rum waren. Die Männer konnten tagelang
feiern und die gesamte Prise, die sie über Monate erbeutet
hatten, innerhalb von nur einer Woche restlos verprassen.
Der Geruch nach gebratenem Fleisch und Gewürzen hing in der
Luft, als sie sich neben ihrem Vater niederließ. Émile hielt
sich an den Palmwein, den er aus den verflochtenen, dicken
Blättern der bauchigen Pflanze trank, deren Saft man zu
Alkohol vergor und die darum den Namen
palmiste à vin
trug.
Auch Jacquotte goss sich ausgiebig ein, schmeckte ihr der
Wein doch bei weitem besser als der scharfe Rum, den die
Männer wie Wasser hinunterkippten.
    Émiles seliger Blick verriet ihr, dass er dem Getränk
bereits reichlich zugesprochen hatte, und sie war froh, dass
ihr auf diese Weise unangenehme Fragen über die Kratzer in
ihrem Gesicht erspart blieben. Entspannt lehnte sie sich
zurück und stützte sich auf ihren Ellbogen ab. Gleich zehn
Schweine brutzelten mit dem Bauch nach oben auf den
Holzgestellen, die den Bewohnern der Region ihren Namen
gegeben hatten. Die
boucan
bestanden aus vier armdicken,
gabelförmigen Ästen von etwa fünf Fuß Länge, die senkrecht
in den Boden gerammt wurden und ein Rechteck bildeten.
Jeweils zwei der Äste wurden durch die gabelförmigen Enden
mit einem weiteren gleichdicken Ast verbunden und mit
fingerdicken rindenlosen Zweigen bedeckt, die man mit Lianen
fixierte. So hatten es die ersten Bukaniere von den
Indianern gelernt, erzählte man sich. Inzwischen war diese
Kochvorrichtung nicht mehr aus dem Leben der Männer
wegzudenken, lieferte sie doch geräuchertes Fleisch, das so
schmackhaft und lange haltbar war, das es nicht nur von den
Leuten geschätzt wurde, die hier lebten.
    Jacquotte beobachtete, wie Pierre aus den Blättern der
Cachibou-Pflanze mithilfe dünner Rindenfasern geschickt ein
Gefäß fertigte, das zum Abschöpfen der Soße diente, die sich
im Bauch der Schweine sammelte. Üblicherweise würzte man sie
reichlich mit Salz, Limonensaft, Piment und Unmengen
schwarzen Pfeffers, der einem Kehle und Magen ausbrannte.
Ein Berg grüner Bananen lag neben dem Feuer in der Mitte des
Platzes. Sie dienten dazu, das Brennen des Pfeffers
abzumildern und wurden zum Fleisch gereicht. Jacquotte lief
das Wasser im Mund zusammen. Sie hatte den ganzen Tag noch
nichts Vernünftiges zwischen die Zähne bekommen und freute
sich auf das üppige Mahl. Manuel hatte sich längst wieder in
die Hütte zurückgezogen. Zu viele Menschen ängstigten ihn.
Sie nahm sich vor, ihm später etwas zu essen
hineinzureichen. Im Gegensatz zu Manuel liebte sie Feste wie
diese. Nachts würden die Männer um das Feuer tanzen und ihre
Geschichten von den Kaperfahrten erzählen. Wenn sie in den
Morgenstunden so viel Alkohol im Blut hatten, dass sie nicht
mehr tanzen konnten, würden sie am Boden liegen und ihre
blutrünstigen Seemannslieder grölen. Jacquotte grinste. Die
Feier lenkte sie von den Ereignissen des Tages ab. Zufrieden
nahm sie einen Schluck Wein, und spürte, wie ihre Glieder
schwer wurden.
    Dann bemerkte sie den Tumult am Rand der

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