Joli Rouge (German Edition)
ihrer Nase erkennen, die ihm vorher noch nicht
aufgefallen waren. Die Erkenntnis, dass sie Sommersprossen
wie ein kleines Mädchen hatte, ließ seine Lenden entflammen.
Ihre Stimme dagegen wirkte wie Löschwasser.
»Seid versichert, Bigford, er hätte Einwände gehabt! Und
nun kümmert Euch um Eure eigenen Angelegenheiten und lasst
mich meine Arbeit verrichten.«
»Ihr schuldet mir etwas«, schmollte er. »Ich habe Euch die
Münzen für den Fährmann gegeben.«
Ehe er sich versah, spürte er die Klinge einer Machete an
seinem Hals, und Jacquotte sah ihn drohend an.
»Ihr werdet es zurück erhalten, Ihr habt mein Wort darauf.
Und nun geht!« Der Hund an ihrer Seite fletschte die Zähne.
Jacquotte zog die Machete zurück, jedoch nicht ohne die Haut
anzuritzen.
Bigford schnaubte verärgert. »Mein Schutz wäre nicht zu
Eurem Nachteil gewesen.«
»Zu meinem Vorteil aber ebenso wenig.« Sie ließ ihn stehen
und hielt auf die Hütte ihres Vaters zu. Er sah sich um und
hoffte, dass die Brüder nichts von der Abfuhr mitbekommen
hatten. Dieses Weib würde er zähmen! Sein Jagdinstinkt war
erwacht.
Den Rest des Tages beobachtete er Jacquotte. Er war
sicher, dass sie es mitbekam, aber genau das war sein Plan.
Der Feind musste eingeschüchtert werden, bevor man ihn
angriff. Als die Nacht anbrach und die Männer sich erschöpft
von den Ereignissen des Tages in ihre Hütten zurückzogen,
schritt Bigford zur Tat. Ihr wunder Punkt war der sonderbare
Zwerg an ihrer Seite. Mit ihm in seiner Gewalt würde sie
bald willig sein. Jérôme war nicht da, um sie zu schützen,
und die anderen Männer würden sich ihm gewiss nicht entgegen
stellen. Leise schlich er um die Hütten herum, aus denen
aromatischer Qualm drang. Die Männer verbrannten Tabak, um
die blutdurstigen
maringouins
abzuwehren und sich auf diese
Weise einen ungestörten Schlaf zu sichern. Mit wachem Blick
suchte er die Siedlung nach dem gefleckten Hund ab, der ihm
bei seinem Vorhaben zum Verhängnis werden konnte, entdeckte
ihn aber nirgends. Vermutlich streunt er durch den Wald und
jagt wehrlose Ferkel, dachte Bigford.
Er näherte sich Émiles Hütte von der feuerabgewandten
Seite, um mit seinem Schatten keine Aufmerksamkeit zu
erregen. Alles war ruhig. Vermutlich schlief sie schon. Er
hatte sie vor einer Stunde die Lederhäute zuklappen sehen.
Immer wieder hielt er inne, um Jacquotte nicht
aufzuschrecken. Doch dann war seine Ungeduld zu groß, und er
riss mit einer einzigen Bewegung den Zugang frei. In
erwartungsvoller Erregung glitt er ins Innere und erstarrte.
Die Hütte war leer. Er fluchte. Wie konnte das sein? Er
hatte sie nicht einmal aus den Augen gelassen, und trotzdem
war sie mitsamt dem nichtsnutzigen Balg verschwunden.
Aufgebracht hetzte er zurück ins Freie. Wie hatte sie es
geschafft, an den Wachen vorbeizukommen, die zum Schutz
gegen weitere Angriffe aufgestellt worden waren? Er spuckte
aus. Sie hatte ihn zum Narren gehalten und das würde sie ihm
büßen!
Zur gleichen Zeit kletterte Jacquotte den Abhang zur Höhle
hinab, während der Wind ihr die Geräusche der Île de la
Tortue zutrug. Der Mond stand in voller Größe am Firmament
und erhellte den Weg. Manuel war eingeschlafen und sie trug
ihn auf ihrem Rücken den Pfad hinab. Als sie den vertrauten
Ort erreichte, ließ der Schmerz ein wenig nach, der sie seit
dem Anblick ihres Vaters verfolgte. Behutsam bettete sie
Manuel neben den Hund, der sich an der Wand niederlegte.
Sie lehnte sich gegen den Fels, und verharrte eine Weile.
Die Nachtluft kühlte ihren verschwitzten Körper. Als ihre
Gedanken nicht zur Ruhe kamen, setzte sie sich und legte den
Kopf in die Hände. Bisher hatte sie geglaubt, sie müsste die
Höhle als Zuflucht vor den Spaniern aufsuchen, aber wie sich
herausstellte, waren die Spanier nicht ihr einziges Problem.
Sie versuchte, Luft zu holen, doch ihre Kehle war wie
zugeschnürt. Èmile war tot! Ihr Vater, ihr einziger
Vertrauter in der Siedlung war umgebracht worden. In
Gedanken sah sie ihn um seinen Hund weinen, den er im
letzten Jahr beerdigen musste, und schämte sich, weil sie
nicht fähig war, auf dieselbe Art um ihn zu trauern. Sie
rieb sich die Augen, aber die Tränen wollten nicht fließen.
Nachdenklich blickte sie nach Tortue hinüber und fragte
sich, ob Pierre wohl dort war. Er war gegangen, ohne sich zu
verabschieden. Bisher war die Wut über sein Verschwinden
groß genug gewesen, um ihm nicht
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