Joli Rouge (German Edition)
sein. Nun hatte
sie Jérôme in seiner Meinung bestätigt. Ihr Blick fiel auf
den toten Hund, der ihr ein treuerer Gefährte gewesen war
als sein Herr, und Tränen schossen ihr in die Augen.
Jérôme lockerte seinen Griff. Forschend sah er ihr ins
Gesicht. »Hat er dir wehgetan?«
Sie schüttelte den Kopf und blinzelte die Tränen fort.
»Ich habe dir einen Vorschlag zu machen.« Er zögerte. »Der
französische König bringt sich vermehrt in die Belange der
neuen Welt ein. Mir ist zu Ohren gekommen, dass er eine
Freihandelszone zwischen den Kompanien der amerikanischen
Inseln erwägt, um die spanische Macht zu schwächen.«
»Was interessiert mich die Politik Frankreichs?«
»Du bist Französin«, erwiderte Jérôme heftig. »Deine
Zukunft wird von Louis XIV. bestimmt.«
»Mein Vater hat es versäumt, mir die Geschichte seines
Lebens und seines Landes zu erzählen. Ich bin nicht
Französin, ich bin Bukanier!«
»Selbst als Bukanier bist du Spielball der Politik
Europas.«
»Ich kann dir nicht zu folgen, Jérôme.« Sie riss sich von
ihm los. Das Rascheln der Blätter verriet ihr, dass Regen
bevorstand. Mit resigniertem Blick betrachtete sie das
Schwein, das sie schnellstens verarbeiten musste, bevor der
Niederschlag zu viel Schaden anrichtete. Unschlüssig sah sie
zu Jérôme, der keine Anstalten machte zu gehen.
»Das Rad der Zeit dreht sich. Man sagt, der französische
König sieht es nicht gerne, dass die Macht Frankreichs in
diesem Teil der Welt von einem Haufen Männer repräsentiert
wird, die in unchristlichen Verhältnissen leben. Er wird
Frauen aus Frankreich schicken lassen«, fuhr er fort.
Jacquotte runzelte die Stirn. Jérôme sprach in Rätseln.
Sie studierte sein Gesicht, sah die tiefe Zornesfalte
zwischen den Augen, die sich über die Jahre dort eingebrannt
hatte. Er besaß eine furchteinflößende Mimik, und sie fragte
sich unwillkürlich, wie viele Männer er bereits in den Tod
geschickt hatte. Den Erzählungen nach waren es unzählige.
Gleichwohl hatte ihr Vater diesem Mann all die Jahre
vertraut und war nie enttäuscht worden. Sie wusste nicht,
was sie über ihn denken sollte.
»Man wird Gesetze einführen«, erklärte Jérôme. »Die Frauen
werden legal verheiratet.“
»Heißt das, ihr würfelt nicht um sie?«, höhnte Jacquotte.
Der Regen fiel jetzt regelmäßig und durchnässte ihre
Kleidung.
»Sie werden ehrbare Ehefrauen.«
»So ehrbar, wie man mit Männern wie euch an der Seite nur
sein kann!« Jacquotte konnte die Wut kaum zurückhalten, die
in ihr hochkroch und wie ein Splitter in ihrem Hals stecken
blieb.
»Schweig«, wies er sie zurecht. »Du bist wie gewöhnlich zu
einfältig, um die Bedeutung meiner Worte zu verstehen. Eine
solche Heirat sichert dir den Schutz zu, den du hier niemals
finden wirst.«
»Bei der Beständigkeit der Gezeiten, Jérôme, ich werde
dich niemals heiraten!« Jacquotte stemmte die Hände in die
Hüften. Jérômes verblüffter Gesichtsausdruck verriet ihr,
dass sie ihn gründlich missverstanden hatte. Er lachte.
»Mein liebes Kind, der Blitz möge mich augenblicklich
treffen, wenn mir dieser Gedanke je gekommen wäre! Ich trage
mich vielmehr mit der Idee, mich beizeiten an einem
angenehmen Ort niederzulassen und mir eine verträgliche
Ehefrau zu nehmen. Mein Ansinnen ist, ob du mich nicht
begleiten und selber nach einem Ehemann Ausschau halten
willst.«
Der Splitter in Jacquottes Hals schwoll an. »Ehemann?«,
flüsterte sie.
»Du bist schön, Jacquotte. Bedenke die Vorteile einer Ehe.
Du müsstest nicht mehr kämpfen und dich behaupten und für
Manuel wäre gesorgt.«
Sie zog die Stirn kraus. Der Begriff Schönheit war im
Zusammenhang mit ihr noch nie gefallen und sie fühlte sich
kurzfristig geschmeichelt, bevor Jérôme sagte: »Das war auch
Émiles Wunsch.«
Ihr Magen zog sich zusammen. Wütend stapfte sie ein Stück
in den Wald. »Wage es nicht, solche Behauptungen
aufzustellen und Émiles Namen für deine Ansichten zu
missbrauchen! Du warst auf See, während er uns groß gezogen
hat. Du hast den Kaperfahrten gefrönt und bist als Held
zurückgekehrt. Émile hat derlei Ruhm nicht nötig gehabt, er
hat sich einzig für uns aufgeopfert. Er war ein wunderbarer
Vater! Ich lasse nicht zu, dass du versuchst, sein
Vermächtnis anzutreten und mir zu sagen, was ich zu tun und
zu lassen habe.«
Überraschend schnell war Jérôme bei ihr und packte sie
erneut am Arm. Sie standen beinahe
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