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Joli Rouge (German Edition)

Joli Rouge (German Edition)

Titel: Joli Rouge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Fischer
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war. Jacquotte spähte über den
Platz, aber es war keine Menschenseele zu sehen. Auch Jan
war verschwunden. Misstrauisch trat sie aus dem Schatten und
genoss die wohlige Wärme auf der Haut. Erst, als ihre Augen
sich an das Licht gewöhnt hatten, erkannte sie, dass überall
verstreut unter Bäumen, Sträuchern und Hauseingängen Männer
lagen, die ihren Rausch ausschliefen. Sie grinste. Der
Rhythmus der Stadt war ein anderer als in der ihr vertrauten
Siedlung. Gemächlich schlenderte sie an den letzten
Häuserreihen vorbei in den Wald, hoffte sie doch, eine
Stelle zu finden, um sich zu waschen und das leidige
Kopftuch abzulegen. Aber kaum hatte sie die ersten Schritte
ins Unterholz getan, kam ihr Jan entgegen. Über der Schulter
trug er eine altertümliche Muskete, die größer war als er
selbst, und in einem ledernen Beutel zeigte er ihr stolz
seinen Fang.
    »Die Tauben sind da«, erklärte er. »Kommen immer um diese
Zeit. Sind erst auf Tortue, dann im Norden von Española. Man
muss sie schießen, bevor sie von den bitteren Samen fressen
und ungenießbar werden. Komm!«
    Geschäftig ging er an ihr vorbei. Er hatte dem Dutzend
Tauben präzise den Kopf abgeschossen. Jacquotte pfiff
anerkennend durch die Zähne. Ihr Magen erinnerte sie daran,
dass sie nicht abgeneigt war zu frühstücken, das Jucken auf
der Kopfhaut ermahnte sie jedoch zu einem Bad. Sie seufzte,
entschied sich dann aber, Jan zu folgen.
    Wie sich herausstellte, war er nicht der Einzige, dem der
Jagderfolg hold gewesen war. Die Stadt begann, sich mit
Männern zu füllen, die ebenfalls ihre gefiederte Beute am
Fluss ausnahmen. Feuer wurden in der noch warmen Glut
entzündet, und bald schon lag der köstliche Duft nach
gebratenem Fleisch in der Luft. Weitere Schiffe legten an
und raubeinige Gesellen überschwemmten die Stadt. Jacquotte
saß abseits und beobachtete die Szenerie, während sie mit
Jan die Tauben verspeiste.
    »Wer sind die?«, fragte sie schmatzend.
    »Jean Lescouble und seine Mannschaft. Is‘ `n mutiger
Kämpfer.« Jan nagte an einem Knochen.
    »Der andere ist Jaque De l’Isle, hinterlistiger Geselle,
segelt aber als Einziger `ne Fregatte, die
Bonaventure
.
Hübsches Schiff. Achtzig Mann Mannschaft und vierzehn
Neunpfünder an Bord. Macht gemeinsame Sache mit dem
Gouverneur von Jamaika.«
    Jacquotte beobachtete die auffällig gewandeten Männer, die
Pfauen gleich durch den Ort stolzierten und die Lage
sondierten. Sie kannte beide Kapitäne vom Namen her, hatte
sie Jérôme doch bereits über sie reden gehört. Besonders
Jaque De l’Isle war eine ansehnliche Erscheinung. Im
Vergleich zu den meisten Männern wirkte er überaus gepflegt.
Sein fein geschnittenes Gesicht hatte etwas Adliges, das
durch den arroganten Zug um seinen Mund verstärkt wurde.
    Konzentriert puhlte Jacquotte verkohlte Federkiele aus dem
Fleisch, als sie mit einem Mal einen mattblonden Haarschopf
in der Menge ausmachte. Überrascht holte sie Luft und
verschluckte sich dabei. Jan hieb ihr auf den Rücken und sie
senkte den Kopf. Bigford! Das hatte ihr gerade noch gefehlt.
Eilends verbarg sie das Gesicht unter der Krempe ihres Huts.
    »Willste nicht erkannt werden, he?« Jan grinste. »Wer
isses?«
    »Der Engländer im blauen Rock«, wisperte sie hinter
vorgehaltener Hand.
    »Verflucht will ich sein, haste Ärger mit dem steifen
Furz?«
    »Unstimmigkeiten«, sagte Jacquotte und erkannte ein
interessiertes Funkeln in Jans Augen.
    »Biste deshalb auf und davon?«
    »Möglich.«
    Jan schob sich eine Handvoll Fleisch in den Mund und
verkündete fast unverständlich: »Dein Feind, is‘ auch mein
Feind!«
    Sie schmunzelte und sah erleichtert, dass Bigford sich
entfernte.
    »Alle kommen her. Morgen Abend is‘ `ne Versammlung der
Brüder. Kannste vorsprechen.«
    Jacquotte schüttelte den Kopf. »Nicht, wenn Bigford
anwesend ist«, murmelte sie ausweichend.
    »Bigford heißt er also.« Jan kratzte sich nachdenklich am
Kopf. »Soll ich Tête-de-Mort um Hilfe bitten?«
    »Niemals!«
    »Er is‘ nicht übel. Hat mich aus’m Wasser gefischt.«
    »Was hast du im Wasser gemacht?« Sie warf die blanken
Knochen ins Feuer und ließ Bigford nicht aus den Augen.
    »War Schiffsjunge auf `nem Ostindienfahrer. Meine Eltern
haben mich verkauft. Gab vier Gulden Heuer im Monat, gutes
Geld. Sollte der Kompanie zehn Jahre dienen, aber der
Schipper war `n brutaler Mann und hat uns geschlagen. Da bin
ich des Nachts unbemerkt vor der

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