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Joli Rouge (German Edition)

Joli Rouge (German Edition)

Titel: Joli Rouge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Fischer
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Küste von Sint Eustatius
ins Meer gesprungen.«
    Jacquotte ließ von Bigford ab und starrte stattdessen Jan
an. Wie alt er wohl war? Er war so viel jünger als sie
selbst und wusste doch so unendlich viel mehr über Schiffe
und das Leben der Flibustier. Sie hatte ihn innerhalb eines
Tages zu schätzen gelernt.
    »Kannst du schwimmen?«, wollte sie wissen.
    »Kann ich wohl. War trotzdem fast am Absaufen, als
Tête-de-Mort vorbeisegelte.«
    »Wie lange bist du schon in seiner Mannschaft?«
    »Drei Jahre werden’s wohl sein. Is‘ anders als auf’m
Handelsfahrer. Hab die Flibustier zu schätzen gelernt,
weißte? Keine Hierachie, alle sind gleich. Vor jeder Fahrt
wird festgelegt, was man von der Prise erhält. Sie nennen
das
chasse-partie
. Es gibt extra Münze für die Verwundeten,
und wenn man mit Kaperbrief für einen Gouverneur segelt, wie
Jaque De l’Isle, geht ein Zehntel der Prise an ihn. Is‘ aber
schwer zu kontrollieren. Hab De l‘Isle schon auf der Île à
Vache gesehen, wo er mit seiner Mannschaft die gesamte Beute
geteilt hat.«
    »Weshalb sollte ein Kaperbrief dann von Nutzen sein?«
    »Willste nicht am Hanfstrick tanzen, brauchste
Toleranzen.« Jan zwinkerte ihr zu. »Derzeit segeln alle
gegen Spanien und lassen sich gegenseitig in Ruhe, aber
wehe, die Bündnisse in der alten Welt ändern sich, dann is‘
Piraterie wieder strafbar und man wird aufgeknüpft. Manch
einer hält es daher für ratsam, bereits jetzt das
Protektorat eines Landes zu genießen und in seinem Namen zu
plündern. Aber die Bruderschaft ist stark und nicht auf die
Gunst eines Landes angewiesen.«
    »Du bist nicht in der Bruderschaft«, stellte Jacquotte mit
einem Blick auf seinen Unterarm fest, wo für gewöhnlich das
sogenannte
tatau
prangte, das die Brüder als einen der ihren
kennzeichnete.
    »Ne, Tête-de-Mort sorgt für mich. Er lässt mich beitreten,
wenn ich alt genug zum Saufen bin. Und wie du gestern
gemerkt hast, bin ich’s noch nicht!« Er zog die Nase kraus.
»Du solltest heut‘ Abend schnell entwischen und zechen,
sonst musste wieder auf mich aufpassen. Einen trifft’s
immer.«
    Jacquotte wischte die Hände an ihrer Hose ab und stand
auf. »Danke, dass du dein Essen mit mir geteilt hast! Ich
werde mich jetzt umsehen. Die Sonne hat den Zenit bereits
überschritten.« Sie nickte Jan zu, der Sand über das Feuer
schippte, und folgte den Neuankömmlingen. Sie hatte nicht
vor, sich von Bigford überraschen zu lassen. Besser war es,
ihn selbst im Auge zu behalten.
    Port de Margot erwachte zusehends zum Leben. Pierre lehnte
schläfrig an einem Stein und beobachtete das Geschehen aus
der Ferne. Sein Kopf dröhnte und erinnerte ihn daran, dass
er letzte Nacht zu viel getrunken hatte. Vermutlich hatte
Remi ihn hier abgeladen und war aufgebrochen, um etwas zu
essen zu besorgen. Er war ein feiner Kerl. Pierre versuchte,
den Kopf zu drehen, hielt jedoch inne, als sich alles zu
drehen begann. Rum war ein Höllengesöff! Kein Wunder, dass
ihn der Governeur von Jamaika ‚Teufelstod‘ schimpfte. Noch
schlimmer war indes
bumboo
, eine Mischung aus Rum, Zucker
und einem Gewürz, das sich Muskat nannte. Als Pierre es zum
ersten Mal versucht hatte, übergab er sich anschließend
einen halben Tag lang über die Achtersteven. Remi war es
auch nicht besser bekommen, denn er kletterte nach sechs
Bechern die Takelage hinauf und brauchte Stunden, um wieder
herunterzukommen. Pierre kicherte. Nach Monaten, die er fast
ausschließlich auf dem Schiff verbracht hatte, tat es gut,
wieder Sand unter den Füßen zu spüren. Er hatte wahrlich das
Gefühl, nach Hause zu kommen.
    Seit seinem Aufbruch vor über einem Jahr hatte er La
Española nicht wieder betreten. Stattdessen hatte er seine
Heimat von Bord des Schiffes aus wahrgenommen und war
erstaunt, wie weitläufig die Insel in Wirklichkeit war. Und
nicht nur das. Sie war umgeben von weiteren Inseln, die in
Größe, Form und Vegetation so vielfältig waren wie die
Fische, die um den Bug der Brigg kreisten, auf der er
kreuzte. Es gab sogar Fische, die fliegen konnten. Er hatte
zuerst geglaubt, dass ihm der Alkohol den Verstand
vernebelte, aber inzwischen gehörten sie zu seinem Alltag
wie Kämpfen, Plündern und Segel setzen. Es war erstaunlich,
wie schnell die ungewohnten Eindrücke zu festen
Bestandteilen seines neuen Lebens geworden waren. Er mochte
das Meer. Es war unberechenbar, und er schätzte die
Abwechslung, die es

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