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Joli Rouge (German Edition)

Joli Rouge (German Edition)

Titel: Joli Rouge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Fischer
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brachte. Der Wind war ihr Taktgeber, der
sie beständig die Routen der Spanier kreuzen ließ. Im Winter
trieb er die Handelsschiffe von Campeche nach Caracas, der
Île de la Trinité oder Margarita, und Anfang des Sommers
kehrten sie auf seinen Schwingen dorthin zurück. Doch trotz
dieser Gegebenheit hatte Pierre lernen müssen, dass es nicht
einfach war, die Schiffe auf den Weiten des Meeres ausfindig
zu machen.
    Der Kapitän hatte ihn den Umgang mit dem Astrolabium
gelehrt, einem Gerät, mit dessen Hilfe es möglich war, die
Breitengrade zu ermitteln. Er nannte es ‚die Sonne wiegen‘.
Die Messung musste zur Mittagszeit durchgeführt werden, wenn
die Sonne ihren höchsten Stand erreicht hatte. Gemessen
wurde stets beim Hauptmast, da das Schaukeln des Schiffes
dort am geringsten war. Des Weiteren musste man eine ruhige
Hand haben, weil bereits die kleinste Bewegung des
Astrolabiums falsche Messwerte zur Folge haben konnte. Das
war einer der Gründe, warum der Kapitän Pierre als seinen
Gehilfen auserwählt hatte. Trotz Alkohol, Hitze und
Wellenbewegungen vermochte er, als Einziger das
Gleichgewicht zu halten und das flache Instrument so
auszurichten, dass die Sonnenstrahlen exakt durch die zwei
kleinen Löcher des waagrecht positionierten Astrolabiums auf
das Schiffsdeck fielen. Anhand seiner Skala und den
durchgängigen Aufzeichnungen des Kapitäns nach Datum und
Schaltjahren war es möglich, den Winkel der Sonne und somit
den jeweiligen Breitengrad zu bestimmen. Man segelte stets
mit den günstigsten Winden und hielt Kurs gen Norden oder
Süden, bis man auf den Breitengrad seines Zielortes stieß,
dem man dann in westlicher oder östlicher Richtung folgte.
Nicht anders navigierten auch die Spanier.
    Doch trotz seiner stetig wachsenden Erfahrung bevorzugte
Pierre inzwischen Überfälle an Land. Zu misstrauisch waren
die Spanier aufgrund des Krieges mit England, zu stark ihre
Schiffkonvois, während ihre kleineren Ansiedlungen auf dem
Festland selten gut befestigt waren. Es erforderte Mühe, sie
auszukundschaften, aber es lohnte die Gefahr. Ihre Kirchen
boten prächtige Beute, und auch die Plantagen waren reich an
Kakao, Tabak und Ingwer, deren Verkauf Pierre und seinen
Männern das Überleben sicherte. Zwischendurch legten sie in
verheißungsvollen Häfen an, wo die Mannschaft sich als
Erstes nach Rum und Frauen umsah. Als Flibustier war man
nicht überall willkommen, aber es gab genügend Buchten, wo
sie im Verborgenen ankern und sich zu Fuß zu den
Lasterhöhlen durchschlagen konnten. Auf einem dieser
Ausflüge hatten sie vor einigen Monaten ihren Kapitän
verloren. Er war volltrunken über eine Klippe gestürzt und
dabei vermutlich zu Tode gekommen. Zumindest war er nicht
wieder aufgetaucht. Spontan hatte die Mannschaft den
verlässlichen Pierre zum Nachfolger ernannt, und seither
segelte er mit eigenem Schiff und seiner eigenen Mannschaft
unter roter Flagge.
    Pierre schloss die Augen und dachte an Point Cagway
zurück, wo sie verweilt hatten, bevor sie nach Port de
Margot aufgebrochen waren. Die illustre Hafenstadt, die die
Engländer nach der Vertreibung der Spanier von der Insel
Jamaika aufleben ließen, gewann immer mehr an
Anziehungskraft. Noch war man den Flibustier dort
wohlgesonnen und schätzte die Reichtümer, die sie in die
erblühende Stadt auf der Halbinsel brachten. Es war ein
Leichtes, die erbeutete Prise in den Tavernen zu verprassen
und willige Gespielinnen für anderweitige Vergnügungen zu
finden. Das war auch der Grund für die Länge des Aufenthalts
gewesen. Carys. Pierre glaubte, sie noch auf seiner Zunge zu
schmecken. Obwohl er bereits mehrere Frauen gehabt hatte,
seit er von La Española fortgegangen war, war sie die
aufregendste. Ihre milchig weiße Haut schimmerte rosig, wenn
sie sich liebten, und er hatte noch nie zuvor so glänzende,
blonde Haare gesehen. Sie erinnerten ihn an frischen Dotter.
In der ersten Nacht, während Remi am Ende des Raums offensiv
zur Tat schritt und das Mädchen mit den ausladenden Hüften
hysterisch kicherte, hatte Carys gelangweilt drein geblickt
und eine ihrer Locken um den Finger gewickelt. Sie war so
bezaubernd, dass Pierre zuerst nicht wusste, was er mit ihr
anstellen sollte. Immer wieder schielte er über ihre
Schulter zu Remi hinüber, dessen nackter Hintern bald in
stetigem Rhythmus auf das Gesäß der Brünetten klatschte.
Erst dieser Anblick regte etwas in Pierre. Wie konnte

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