Joli Rouge (German Edition)
»Gehabt Euch wohl. Ich werde für
Euch und Euer Vorhaben beten!«
»Betet es sich nicht leichter, Sir, wenn es um den eigenen
Gewinn geht?«, fragte De l’Isle und deutete eine fahrige
Verbeugung in Watts‘ Richtung an, bevor er den Raum verließ.
Watts starrte ihm hinterher. »Ihr solltet ihm aus
vielerlei Gründen nicht trauen«, murmelte er an Bigford
gewandt und entließ ihn mit einer nervösen Handbewegung.
Bigford verbeugte sich nochmals und folgte De l’Isle auf
dem Fuß. An der frischen Luft angekommen, atmete er durch
und blickte hinüber zur
Tortuga Pride
. Er konnte es kaum
erwarten, endlich die Segel zu setzen.
»Der einfältige Molch ließ mich kaum noch an mich halten“,
polterte De l‘Isle. »Welch Schande für diese Insel, von
solch einer Bilgenratte regiert zu werden.« Er spuckte auf
den Boden. »Deschamps und Le Basque sollten sich glücklich
schätzen, dass ich ihnen den Weg geebnet habe. Tortue war
einst pulsierendes Leben. Sieh dich nun um, mein Freund,
alles ist friedlich, und nicht mal Huren haben sich
niedergelassen. Es wird schwer werden, eine vernünftige
Mannschaft zusammenzustellen. Unweit von hier, in La
Montagne, wo die ersten Plantagen gegründet wurden, werden
wir sicher fündig. Man sagte mir, dort seien noch zahlreiche
Pflanzer und Bukaniere beheimatet.«
Er setzte sich in Bewegung und gab seinem Steuermann, der
das Ruderboot an der Anlegestelle bewachte, ein Zeichen.
»Jean-David! Halte die Mannschaft bei Einbruch der
Dunkelheit bereit«, rief er. »Und halte nach Frauen
Ausschau! Bevor wir ablegen, muss ich einer habhaft werden,
sonst kann ich nicht denken.«
Sie durchquerten das geruhsame Hafenviertel mit den
schmucken Häusern. Woher Watts seine Güter bezog und mit wem
er Handel betrieb, war unklar, aber den puritanischen Atem
seiner Regierung konnte man an jeder Ecke spüren. Die
Straßen waren sauber, die Hauseingänge gefegt und die kleine
Kapelle frisch getüncht. De l’Isle ignorierte die Idylle und
ging zügig an den Ruinen des ehemaligen Forts vorbei. Sie
querten gewaltige Aloepflanzen, eine jede so hoch, dass sie
Bigford überragten, und ihm den Blick auf die
Sandelholzwälder nahmen, die von den Franzosen
Stockfischholz genannt wurden. Ein würziger Geruch lag in
der Luft, und er vermutete, dass zwischen den weißen Stämmen
der Bäume allerlei Arzneikräuter wuchsen. Sein Wissen um
Pflanzen war eher gering, aber er bewunderte die Fülle der
Natur, die es ihm bereits auf La Española angetan hatte.
Einen solchen Überfluss an Blumen und Tieren hatte er noch
nie gesehen. Es war kein Wunder, dass die Bukaniere sich auf
Tortue niedergelassen hatten. Wenn man von der bisweilen
unerträglichen Schwüle absah, dann hatte er kaum je ein
schöneres Fleckchen Erde zu Gesicht bekommen.
»Seid vorsichtig«, wies ihn De l’Isle an. »Hier gibt es
viele Klippen. Die meisten sind von Gebüsch überwachsen, und
man stürzt hinab, ehe man sich’s versieht. Bleibt auf dem
Pfad!«
Bigford sah sich um, konnte aber nichts Beunruhigendes
erkennen. Zu den Sandelholzbäumen gesellte sich bald in
großen Mengen Pockholz und spendete ihnen kühlenden
Schatten. Auf ausgetretenen Wegen arbeiteten sie sich
bergauf. Es trieb ihm den Schweiß auf die Stirn, aber er
ließ sich seine Anstrengung nicht anmerken. Er erhoffte sich
viel von diesem Raubzug. Nie hätte er geglaubt, soviel
Erfüllung bei den Brüdern der Küste zu finden. Als
Marinelieutenant im Dienste Englands war sein Dasein geprägt
von Hierarchien und Abstammung gewesen. Doch jenseits dieser
Welt erlebte er Unternehmungsgeist und unbezwingbaren Mut.
Gewiss, die Bukaniere verübten Gräueltaten an jenen, die
ihnen im Weg standen, und waren zumeist in keinerlei
Hinsicht gebildet, aber sie sorgten für Ihresgleichen.
Dieses Leben schmeckte so viel besser als alles, was Bigford
bisher kosten durfte. Der kleine Funke Neugier, mit dem er
der Bruderschaft beigetreten war, hatte ein gewaltiges Feuer
an Emotionen entzündet. Unabhängig von jeglicher Stellung
oder bedeutendem Rang, konnte er einen Beitrag zum Gelingen
einzelner Unternehmungen leisten und selber reichlich Münze
dabei machen.
Als sich die Wälder endlich lichteten, befanden sie sich
auf einer Art Hochplateau, auf dem die Pflanzer, ähnlich wie
auf La Española, ihre ausgedehnten Tabakfelder angelegt
hatten. De l’Isle winkte einige düster dreinblickende Männer
zu sich heran, die auf den
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