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Joli Rouge (German Edition)

Joli Rouge (German Edition)

Titel: Joli Rouge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Fischer
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auf das Festland. Sein Ansehen beruhte auf dem
legendären Angriff auf eine Silbergaleone, bei dem er mit
seinen Männern mehr Beute gemacht hatte, als es jemals
wieder einem anderen Mann gelungen war.
    Vor einem der lang gestreckten Häuser wurden bereits
Fackeln entzündet. Das bedeutete, dass Le Basque bald mit
der Versammlung begann. Zu Beginn einer derartigen
réunion
wurden dringende Anliegen vorgebracht, Streitigkeiten
geschlichtet und wichtige Vorhaben besprochen, bevor man
anschließend neue Brüder in den erlauchten Kreis aufnahm.
Bigford fuhr über sein wulstiges
tatau
, das nach der
Initiation mit scharfen Messern in den Arm geritzt wurde. In
die entstandene Wunde rieb man Schießpulver, das in der Haut
verblieb, wenn sie vernarbte. Auf diese Weise kam es zu dem
Erkennungszeichen, das die Brüder stets wissen ließ, wem sie
vertrauen konnten. Nur wer die Umrisse von Tortue mit den
ineinander verschlungenen Buchstaben GDLC,
gens de la côte
,
auf seinem rechten Unterarm vorzuweisen vermochte, war ein
wahrer Bruder. Aus diesem Grund trug Bigford das
tatau
mit
Stolz, war es doch ein unverkennbares Merkmal für sein neues
Leben. Daneben erhob sich provozierend die Narbe, die ihm
die rote Jacquotte zugefügt hatte. Sie erinnerte ihn täglich
daran, was er dem Weib antun wollte.
    In Windeseile kippte er an einem frei zugänglichen Fass
drei Becher Rum hinunter, bevor er sich dem Tross von De
l’Isle anschloss. Der niedrige Raum war zum Bersten gefüllt,
und durch das flackernde Licht wirkten die Schatten der
Männer wie geisterhafte Erscheinungen. Das Gefühl des
Alkohols ließ Bigford vergnügt Stellung beziehen. Ihm war
nicht länger unwohl, dem großen Basken gegenüberzutreten. Er
war Kapitän der
Tortuga Pride
, und wenn er es recht
bedachte, hatte er keine Lust, Watts das Schiff
zurückzugeben. Die Zeiten des englischen Gentleman, dessen
Wort bei seinesgleichen Bestand hatte, waren vorüber.
Lieutenant Adam Bigford gab es nicht mehr. Stattdessen gab
es nun Bigford, den Küstenbruder. Er lächelte. Nie hätte er
geglaubt, dass ihn das Ablegen seines Dienstgrades derart
euphorisch stimmen könnte. Allmählich begriff er, warum
Namen unter den Brüdern von solcher Bedeutung waren. Manche
gaben sich neue, um ihre Vergangenheit abzulegen oder ihre
Herkunft zu verbergen. Andere trugen ihre Familiennamen mit
Stolz und bewiesen Mut, indem sie sich nicht vor Strafe
fürchteten. Manch einer verdiente sich gar durch seine
Leistungen einen besonderen Namen, und wieder andere
änderten ihn immerzu, bis sie endlich einen gefunden hatten,
der zu ihnen passte.
    Während Bigford noch in Gedanken versunken war, betrat
Michel Le Basque den Raum. Er war eine eindrucksvolle
Erscheinung, bei der zuerst die knotige Narbe auffiel, die
sich quer über das linkes Auge bis hinunter zum Mundwinkel
zog. Sein kurzer Hals saß auf einem muskulösen Oberkörper,
der den mit Brokat verzierten weinroten Rock zu sprengen
drohte. Seine durchstochenen Ohrläppchen baumelten ihm
aufgrund der goldenen Ringe fast bis auf die Schultern hinab
und seine schmale Nase wirkte vornehm in dem
grobschlächtigen Gesicht. Dunkle Tränensäcke hingen
Gewichten gleich unter den listigen Augen, mit denen er die
Anwesenden musterte. Am markantesten war seine Stimme, die
wie Donner durch den Raum hallte und sofortige Ruhe zur
Folge hatte.
    »Brüder«, sprach er. »Ich begrüße euch in Port de Margot!«
    »Aye, großer Baske«, erwiderten die Männer im Chor und
hoben ihre Arme, um die
tataus
zu präsentieren.
    Michel Le Basque sah sich um, nickte Einzelnen zu und nahm
an einem erhöht stehenden Tisch Platz.
    »Was sind die Anliegen der heutigen Versammlung?«, fragte
er. »Tretet vor und sprecht, wenn ihr etwas zu berichten
habt.«
    Noch ehe der Satz verklungen war, trat De l’Isle in die
Mitte der Umstehenden. Le Basque musterte ihn kritisch und
ohne Sympathien.
    »Jaque De l’Isle, Freund der Engländer, was ist Euer
Begehren?«, erkundigte er sich in argwöhnischem Tonfall.
    »Großer Baske«, begann De l’Isle überschwänglich. »Ich
habe Neuigkeiten zu berichten. Mein Bruder Bigford und ich
sind gerade von der Île de la Tortue zurückgekehrt, wo wir
ein angenehmes Gespräch mit Gouverneur Watts geführt haben.«
    Le Basque hob die buschigen Augenbrauen. »Hat er Euch
einen Kaperbrief ausgestellt?«, wollte er süffisant wissen.
    De l’Isle hielt inne und winkte Bigford heran.

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