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Joli Rouge (German Edition)

Joli Rouge (German Edition)

Titel: Joli Rouge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Fischer
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das
calipee
, das knorpelartige Fleisch der
Unterseite des Schildkrötenpanzers, mit Kräutern und
Gewürzen als eine Art Stew servierten, wurde beim
boucan de
tortue
das gesamte Tier im Panzer auf glühenden Kohlen unter
dem Sand gegart und mit scharfem Pfeffer gewürzt. Pierre
hatte dieses Gericht lange Zeit nicht mehr kosten dürfen und
nickte Jérôme dankbar zu.
    Dann räusperte er sich. »Sie gehen zu lassen, war eine
Qual, sie zu vergessen, lediglich ein Versuch und von ihr zu
hören, ein stetiges Martyrium. Wenn ich sie wiedersehe, wird
es mein Untergang sein, denn es ist mir unmöglich, sie zu
halten«, murmelte er, während er sich von den Stufen
abstieß, um wieder auf die Beine zu kommen.
    »Und doch liebst du sie«, hörte er Jérôme hinter sich. Er
sprach so leise, dass Pierre ihn kaum verstand.
    »Aye, beim Leben unserer Mütter. Es bringt mich fast um.«
Er bückte sich zu Manuel, um seine gesammelten Steine zu
begutachten.
    Die Stufen knarzten, als Jérôme sich erhob und über die
Veranda ins Innere des Hauses schritt. Erst, als er
verschwunden war, richtete Pierre sich auf, um seine Lungen
mit Luft zu füllen. Angestrengt starrte er in den Himmel und
schluckte die Gefühle hinunter, die er heraufbeschworen
hatte, indem er sie zum ersten Mal aussprach. Sein Bart
juckte, und er schwor sich, baldmöglichst einen Barbier
aufzusuchen. Er hoffte, dass er ihm mit den Flöhen auch die
unangenehmen Gedanken vertreiben konnte, die ihn zwickten.
    Als er zwei Tage später gemeinsam mit Remi seinen
Antrittsbesuch bei Michel Le Basque absolvierte, war er
frisch rasiert und neu eingekleidet. Aus dem zerlumpten
Pierre Hantot war ein ansehnlicher Kapitän Le Picard
geworden. Im Gegensatz zu den Flöhen setzten ihm die
störenden Gedanken noch immer zu.
    Das Haus von Michel Le Basque lag eindrucksvoll jenseits
des Hafens und besaß elfenbeinverzierte Türgriffe. Ein
schwarzes Dienstmädchen, dessen Haare ordentlich von einer
weißen Haube verdeckt wurden, öffnete ihnen die schwere
Eingangstür. Pierre warf Remi einen vielsagenden Blick zu
und folgte dem Mädchen in das kühle Innere. Ein glänzender
Steinfußboden ließ jeden ihrer Schritte in dem hohen Raum
widerhallen. Im Gegensatz zu Port de Margot residierte der
Baske inzwischen sehr opulent. Pierre fand diese Veränderung
befremdlich. Auch Remi runzelte die Stirn. Durch einen
weiteren Raum, der von einem offenen Kamin beherrscht wurde,
gelangten sie schließlich in den hinteren Teil des Hauses
und traten durch eine geöffnete Flügeltür in einen
prächtigen Garten. Eine gepflegte Rasenfläche wurde von
blühenden Rosenstöcken umrahmt, die sich zwischen jenen
tiefgrünen Bäumen emporrankten, die Pierre als
goyaves
und
paquayes
bekannt waren. Inmitten ihrer ebenmäßigen Ästen war
in der Ferne das Meer zu erkennen. Das Geschrei einer
brütenden Vogelkolonie überlagerte das Gespräch der drei
Herren, die im hinteren Teil des Gartens
cigarros
rauchten
und ein bernsteinfarbenes Getränk aus kunstvoll
geschliffenen Gläsern zu sich nahmen. Als Pierre und Remi
auf sie zugingen, drehten sie ihnen erwartungsvoll die Köpfe
zu und nickten freundlich.
    »Pierre Hantot«, rief Michel Le Basque und winkte dem
Dienstmädchen. »Sherry für die beiden Herren«, befahl er,
bevor er sich wieder seinen Gästen zuwandte.
    »Pierre Le Picard«, verbesserte Pierre höflich.
    Der Baske horchte auf. »Ein neuer Name? Und noch dazu
einer, der an die alte Welt angelehnt ist. Wie kommt Ihr
dazu?«
    Pierre bemerkte den spöttischen Blick von François
L’Olonnais, der neben dem Basken stand. Er erwiderte ihn
ungerührt und antwortete: »Neue Zeiten verlangen nach einem
neuen Namen!«
    »Hört, hört!« Der Baske lachte. »Ich bin froh, dass Ihr
das Anbrechen des neuen Zeitalters der Flibustier ebenfalls
vernommen habt. Ihr dientet den Engländern nun wahrlich
lange genug.« Er brach ab und klopfte dem Mann zu seiner
Rechten kurz auf den Rücken. »Verzeiht, mein englischer
Freund. Ihr seid nun schon so lange in der Bruderschaft,
dass ich stets vergesse, woher Ihr stammt.«
    Der Angesprochene, der Pierre aufgrund der stark geröteten
Haut und den wässrigen Augen an einen Salamander erinnerte,
verzog keine Miene. Stattdessen streckte er die Hand aus und
sagte: »Ich diene der Bruderschaft mit allem, was mein
kaltes englisches Herz zu bieten hat. Gestatten, Bigford.«
Pierre ergriff die ihm dargebotene Hand und

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