Joli Rouge (German Edition)
der Mächtigen. Dennoch blieb er den Flibustier
treu und hegte die Hoffnung, dass der Geist der Bruderschaft
trotz der Wirren nicht verloren ging.
Außerdem dachte er nach wie vor an die rote Jacquotte.
Obwohl er sich eingestand, dass Tête-de-Mort in erster
Instanz gegen ihn gewonnen hatte, war er nicht bereit
aufzugeben. Er war geduldig. Beunruhigend war indes die
Energie, mit der Michel Le Basque gegen sie vorzugehen
gedachte. Die erlittene Schmach, die sie ihm zugefügt hatte,
saß tief, und er benahm sich wie ein Indianer auf dem
Kriegspfad. L’Olonnais, der eine generelle Abneigung gegen
Frauen hatte, stand ihm in dieser Angelegenheit zur Seite,
und beide wurden nicht müde, das rote Weib zu verteufeln und
Pläne für ihr Ableben zu schmieden. Bigford missfiel dieser
Hass. Tot nutzte sie ihm nichts. Er wollte sie besitzen und
sie sich Untertan zu machen. Daher war er wachsam, wenn der
Baske sich nach ihr erkundigte. Auch jetzt spitzte er die
Ohren, als Michel Le Basque sich unumwunden an Pierre Le
Picard wandte.
»Habt Ihr Kunde darüber, wo sich die rote Jacquotte
aufhält?« fragte er.
Pierre zuckte kaum merklich zusammen, doch Bigford
bemerkte es und schenkte ihm unverzüglich seine
Aufmerksamkeit.
»Ihr befragt den falschen Mann.«
»Nun«, Michel Le Basque machte eine fahrige Handbewegung,
»ich befrage, wen ich antreffe. Ihr seid viel herumgekommen,
daher dachte ich, Ihr wüsstet etwas, das meine Ohren bisher
noch nicht erreicht hat.«
Pierre schüttelte den Kopf. »Der Wind weht sie in
unbekannte Gewässer.«
»Er wird sie nach Cayone wehen, und ich werde zu ihrem
Empfang bereitstehen«, murmelte L’Olonnais und spuckte auf
den Boden.
»Sachte«, wies Michel Le Basque ihn zurecht. »Es gilt, den
Kodex zu wahren. Ihr seid zu ungeduldig!«
L’Olonnais bedachte den Anführer mit einem finsteren
Blick, und Bigford war erstaunt, wie offensichtlich er seine
Abneigung kundtat. Viel interessanter erschien ihm jedoch
Pierre Le Picard. In seinen tief liegenden Augen war etwas
aufgeflackert, als der Baske die rote Jacquotte erwähnte.
Auch sein Begleiter, dieser Remi, wirkte mit einem Mal
verändert. Angespannt. War er eifersüchtig? Bigford suchte
nach weiteren Hinweisen. Le Picard schnippte die Asche der
cigarro
in eine der blankpolierten Muschelschalen.
»Wenn Ihr meine Dienste nicht länger benötigt, würde ich
mich gerne zurückziehen«, sagte er.
Bigford fühlte sich bestätigt. Das Thema war Le Picard
unangenehm. Entweder, weil er mehr wusste, als er bereit
war, kundzutun, oder weil er in Sorge um das rote Weib war.
Das Motiv war einerlei, wichtig war für Bigford nur eins: Er
hatte einen Spürhund gefunden! Er jubelte innerlich. Eine
lange Zeit war sie für ihn unerreichbar gewesen, doch mit
dem Eintreffen von Pierre Le Picard konnte sich das Blatt
wenden. In freudiger Erwartung blickte er hinter dem
schneidigen Kapitän her, der eilig das Haus des Basken
verließ.
»Ich traue ihm nicht«, murrte L’Olonnais.
»Ihr traut niemandem!« Michel Le Basque starrte aufs Meer.
»Dabei solltet Ihr besser zuhören. Le Picard hat mich auf
eine Idee gebracht, wie wir die rote Peitsche erledigen
können.« Er zog einen Mundwinkel nach oben.
Einige Tage später, Pierre saß mit Remi und anderen
Männern aus seiner Mannschaft zusammen, um die nächsten
Überfälle zu planen, erreichte ihn die Botschaft, dass sich
die
Fortune Noire
auf dem Weg nach Cayone befand. Ein Schiff
hatte sie in der Nähe der Île de la Gonaïve vor Anker
liegend gesichtet und berichtete, dass die Brüder danach
lechzten, die enorme Prise zu verprassen, die sie
eingefahren hatten.
Pierre hielt inne, um das Geplapper seiner Männer nicht zu
unterbrechen, bevor er ungerührt mit den Vorbereitungen
fortfuhr und Berechnungen über die Verpflegung und die
Waffen anstellte, die sie mit an Bord nehmen mussten. Erst,
als diese Eckpunkte geklärt waren, entließ er seine
Mannschaft in die umliegenden Tavernen. Remi blieb zurück.
»Du musst sie dir endgültig aus dem Kopf schlagen, Mann«,
bemerkte er verdrossen. Pierre ignorierte ihn. »Sie hat
erreicht, was sie wollte. Du kannst sie nicht beschützen.«
»Wer sagt, dass ich das will? Im Übrigen habe ich nicht um
deine Meinung gebeten!« Pierre rollte die Seekarte zusammen
und steckte sie behutsam in den dafür vorgesehen Köcher.
Remi packte ihn am Arm und er erstarrte.
»Wenn du nicht sofort damit aufhörst, dich in
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