Joli Rouge (German Edition)
einst.«
»Dann ist Cajaya vom gleichen Volk?« Pierre unterdrückte
seine Aufregung. »Woher stammt sie?« Er drehte sich um und
sah die Frau gerade noch im Haus verschwinden.
Jérôme schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht. Sie
spricht einen Dialekt. Manche Worte ähneln sich, andere
nicht. Ein Schiff brachte eine Ladung Sklaven nach Port de
Paix. Cajaya war eine von ihnen. Ich zahlte mehr als nötig
für sie und brachte sie einige Monate später hierher. Sie
hatte viele Verletzungen, Gott weiß woher, aber sie kümmerte
sich von Anfang an fürsorglich um Manuel. Mir scheint, sie
sieht dieselben Dinge in ihm wie einst Jacquotte.«
Pierre biss die Zähne aufeinander, kaum dass der Name
ausgesprochen war. »Wo ist sie? Hast du sie gesehen?« Die
Frage blieb ihm fast im Hals stecken.
Jérôme nahm einen Schluck aus seinem Becher. »Nein, ich
habe sie nicht wieder gesehen, seit sie losgezogen ist, um
ihre Freiheit zu suchen. Bei unserer letzten Begegnung war
sie voll Zorn. Ich denke nicht, dass sie erfreut wäre,
erneut auf mich zu treffen. Jeder muss seinen eigenen Platz
im Leben finden. Meiner ist nun hier auf meiner Plantage und
bei meiner Familie.«
Pierre nippte an dem erfrischenden Getränk. Palmwein. Er
hatte ihn sehr lange nicht mehr getrunken, und sein Magen
kribbelte in Erinnerung an Tierra Grande.
»Aber es heißt, Cayone sei ihr Heimathafen.«
»Der Totenkopf kommt nur auf die Île de la Tortue, wenn
der Bauch seines Schiffes aus den Nähten platzt. Er schätzt
das Meer und die Einsamkeit.«
»Du kennst ihn?«
Jérôme schmunzelte. »Kein Grund, ungehalten zu werden,
Hantot! Von all den Kapitänen, die im Namen der Bruderschaft
unterwegs sind, besitzt er den gleichen, übertriebenen Sinn
für Gerechtigkeit wie du. Aber um deine Frage zu
beantworten: Aye, ich kenne ihn. Und ich schätze ihn. Seit
sie bei ihm an Bord ist, ist er noch vorsichtiger geworden.
Ich denke, er fürchtet Rache aus den Reihen der
Bruderschaft. Ein umsichtiger Geselle.«
»Wer sinnt nach Rache?«, hakte Pierre nach.
Jérôme schnalzte mit der Zunge. »Der große Baske.
Angetrieben von diesem L’Olonnais, der jede Schwäche nutzt,
um einen Vorteil daraus zu schlagen. Dem neuen Gouverneur de
la Place hat er bereits ein Schiff abgeschwatzt.«
»L’Olonnais hat mir in Port Royal einen Besuch
abgestattet, um mich darauf hinzuweisen, dass ich besser
daran täte, der Bruderschaft Einnahmen zu verschaffen,
anstatt den Geldsack der Engländer zu füllen.«
Jérôme lachte. »Ein Argument, das ich durchaus teile.
Dennoch schätze ich die Taktik nicht, derer sich der Baske
neuerdings bedient. Er nutzt sein Amt als Major dazu, sich
in politische Angelegenheiten einzumischen. Die Bruderschaft
kämpfte stets für ihre eigenen Ziele. Doch inzwischen ist
sie zu einem Werkzeug geworden, um Befehlsgewalt zu
demonstrieren.«
»Euch missfällt die Idee, spanische Kolonien auf dem
Festland anzugreifen?«
»Ich richte nicht über diese Angriffe. Das spanische Gold
und Silber haben mir den Reichtum eingebracht, der mir einen
ruhigen Lebensabend erlaubt. Ich maße mir jedoch an zu
sagen, dass François L’Olonnais kein Mann vom Format eines
Christopher Myngs ist. Und der Antrieb eines Michel Le
Basque einzig darauf beruht, seine Macht zu festigen,
anstatt der Bruderschaft einen Dienst zu erweisen.«
Pierre leerte gierig seinen Becher. Er war durstig und
fragte sich, ob es noch mehr Palmwein gab. Jérôme musterte
ihn aus zusammengekniffenen Augen.
»Ich bin nicht der geeignete Mann, um dir zur Mäßigung zu
raten, aber erhalte dir deine Fähigkeit zu urteilen,
Hantot!«
Pierre wischte sich mit dem Handrücken über den Mund und
schwieg. Er wollte keine Auseinandersetzung mit Jérôme, aber
es ärgerte ihn, von ihm gemaßregelt zu werden.
»Ich bin mir sehr wohl darüber im Klaren, warum ich sie
gehen ließ, aber sag mir, was waren deine Beweggründe?«
Jérôme senkte die Stimme.
Unschlüssig drehte Pierre den leeren Becher in seinen
Händen. Am liebsten wäre er aufgesprungen und gegangen, aber
Manuels Anblick hielt ihn zurück.
»Beehre unseren Tisch heute mit deiner Anwesenheit«,
brummte Jérôme, um das Schweigen zu brechen. »Cajaya
bereitet ein vorzügliches
boucan de tortue
.«
Pierre lief bei den Worten das Wasser im Mund zusammen.
Diese Art der Zubereitung der grünen Meeresschildkröte
kannte er noch von seiner Mutter. Während die Engländer
hauptsächlich
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