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Joli Rouge (German Edition)

Joli Rouge (German Edition)

Titel: Joli Rouge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Fischer
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leiser, und sie hatte das Gefühl zu schweben.
    »Zum Donnerkiel!«, brüllte Tête-de-Mort.
    Sie blinzelte und sah, dass er einige Männer niederschlug,
um zu ihr zu gelangen. Seine Anwesenheit brachte das
Gedränge zum Stillstand. Knurrend zog er sich das Tuch vom
Gesicht, und die Menschen erstarrten. Jacquotte krümmte
sich. Die Schmerzen waren kaum auszuhalten. Ein wissendes
Flüstern erhob sich, als Tête-de-Mort sich über sie beugte.
Seine Augen blickten besorgt. Sie griff nach seiner Hand und
bemerkte Jan, der hintendrein stolperte und die blutige
Machete aufhob. Grimmig ließ er sie durch die Luft kreisen
und fixierte die Umstehenden. Levache und Crochu stellten
sich ihm zur Seite. Jacquotte war erleichtert. Die Männer
waren da, um ihr zu helfen. Sie schloss die Augen.
    Pierre kämpfte sich durch die feiernden Menschen und
verfluchte sich selbst, dass er trotz seiner Vorbehalte in
die Stadt zurückgekehrt war. Doch eine innere Unruhe raubte
ihm den Schlaf und trieb ihn schließlich in die lärmenden
Gassen. Nach einigen Bechern Rum fühlte er sich belebter,
aber die Ruhelosigkeit blieb. Als er aus dem dritten
Schankraum taumelte, den er an diesem Abend beehrt hatte,
wankte François L’Olonnais mit entrücktem Blick an ihm
vorbei. Seine Jacke war blutdurchtränkt, und er murmelte
fanatisch vor sich hin. Pierre hielt sich am Türrahmen ein
und sah ihm nach. In seinem Nacken begann es zu kribbeln.
Irgendetwas war geschehen. Er spürte es. Hastig ging er in
die Richtung, aus der L’Olonnais gekommen war, doch ein
Vorankommen war beinahe unmöglich. Die Betrunkenen
stolperten übereinander, fielen hin, verkeilten sich,
schliefen mitten im Getümmel ein oder prügelten sich. Becher
mit Rum wurden durch die Luft geworfen und halb nackte
Frauen über die Arme der Männer weitergereicht. Pierre
verschaffte sich mit seinem Säbel Respekt und schlug sich
Stück um Stück den Weg frei. Die ersten Rufe ereilten ihn,
als er fast am Hafen angelangt war.
    »Der Tod holt die rote Jacquotte! Sie stirbt«, erhoben
sich die Stimmen. Eine eiserne Faust zerquetschte ihm die
Brust. Seine Augen versuchten, sich in der Dunkelheit
zurechtzufinden. In der Nähe der Schiffe und Warenhäuser war
kein offenes Feuer erlaubt, und das machte ihm die
Orientierung schwer. Huschende Schatten erinnerten ihn
zugleich daran, dass sich das Gesindel besonders nachts im
Hafenviertel umhertrieb, und er mahnte sich zur Vorsicht.
    »Hier entlang! Holt den Wundarzt und bringt ihn umgehend
aufs Schiff!« Eine Gruppe lief in Richtung des
Landungsstegs. Ihr Anführer trug eine Fackel mit sich und
Pierre folgte dem Licht. Unter ihm gluckerte das Wasser in
der nachtschwarzen See, als er über den Holzsteg rannte. Er
vernahm das Klirren von Waffen. Die Männer waren auf ihn
aufmerksam geworden.
    »Einen Schritt weiter und er führt dich ins Jenseits,
Fremder«, zischte eine Stimme. Pierre blieb stehen. Sein
Herz schlug so heftig in seiner Brust, dass er glaubte, es
wolle sich selbst befreien.
    »Ich bin ein Freund«, besänftigte er. „Ist Jacquotte bei
euch?«
    »Wer will das wissen?« Die Fackel näherte sich ihm.
Glühende Funken trafen sein Gesicht, als sie ihm dicht vor
die Nase gehalten wurde.
    »Pierre Le Picard!« Er blinzelte in die züngelnden
Flammen.
    »Der Name sagt uns nichts! Verschwindet!« Die Fackel
drängte ihn zurück. Er roch verbrannte Haare und
realisierte, dass es seine eigenen waren. Wütend hob er den
Säbel.
    »Ich will sie sehen«, forderte er.
    »Pierre?«
    Es war ihre Stimme! Er drängte den vordersten Mann zur
Seite und machte zwei Schritte auf den riesenhaften Kerl zu,
der sich vor ihm aufbaute. Der Schein des Feuers fiel auf
sein zerfressenes Gesicht. Pierre zuckte zurück.
Tête-de-Mort, fuhr es ihm durch den Kopf. Jacquotte lag in
seinen Armen. Er hielt sie ohne Anstrengung. Ihre Wangen
waren eingefallen, ihr Körper leuchtete bleich. Sie war
verletzt. Blutflecke auf ihrer Kleidung kündeten von ihren
Wunden. Pierre wollte sie aus den Armen des Todes reißen,
aber dann bemerkte er es. Die Art, wie er sie ansah. Sein
Gesicht vermochte aufgrund der Entstellung keine Regung mehr
zu zeigen, dafür sprachen seine Augen. Pierre schwankte
unter der Erkenntnis. Tête-de-Mort starrte ihn an und es
war, als wenn sie wortlos den Kampf um die Frau ausfochten,
die sich mit ihrer draufgängerischen Art in ihren Herzen
festgesetzt hatte. Pierre verspürte den

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