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Joli Rouge (German Edition)

Joli Rouge (German Edition)

Titel: Joli Rouge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Fischer
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es sein, dass ihr
Freund von einst inzwischen zu ihrem Feind geworden war?
Ziellos wanderte sie durch die Stadt, um nachzudenken. Mit
einsetzender Dämmerung wurden ihre Schritte schließlich
langsamer. Sie war traurig. Ihr Vater, Manuel, Jérôme und
nun auch noch Pierre. Es gab kein einziges Bindeglied mehr
zu ihrer Vergangenheit. Sie konnte nicht glauben, dass sie
sich in Pierre ebenso getäuscht hatte wie in Jérôme. Der
Rauch der Fackeln brannte in ihren Augen und vernebelte ihr
die Sicht. Jacquotte blieb stehen.
    Den heimtückischen Stich in die Seite bemerkte sie nicht
sofort. Erst das heiße Pochen und ein schmerzhaftes Ziehen
durchbrachen einem Blitz gleich das Dunkel ihrer Gedanken.
Instinktiv erfühlte sie mit der Hand die Herkunft des
Schmerzes. Während sie noch realisierte, dass sie verwundet
worden war, durchfuhr sie ein neuerlicher Blitz. Sie keuchte
auf und stellte sich rücklings zur Wand. Die vorbeiziehenden
Menschen verschwammen zu einer einheitlichen Masse. Das
Gelächter klang hohl in ihren Ohren, und kalter Schweiß trat
auf ihre Stirn. Fassungslos starrte sie auf das Blut an
ihren Fingern. Ihr Blick wanderte weiter auf das Hemd, auf
dem sich zwei dunkle Flecken ausbreiteten. Ihr Puls raste
und sie glaubte, keine Luft mehr zu bekommen. Als der
Schmerz sich in die Realität drängte, wurde ihre Sicht
klarer. Sie drückte sich an der Hauswand entlang und bemühte
sich, Gesichter in der flirrenden Menge auszumachen. Die
Hand, mit der sie die Pistole zückte, zitterte derart, dass
sie beinahe den Abzug gedrückt hätte. Jacquotte schwindelte.
Die Lichter der Fackeln zogen unregelmäßige Kreise und
zerflossen, wenn sie versuchte, sie zu fixieren. Sie
glaubte, ihre Beine würden wegknicken, aber sie bot all
ihren Willen auf, um sich aufrecht zu halten. Ärgerlich
bemerkte sie, dass sie völlig die Orientierung verloren
hatte. Die Betrunkenen rempelten sie an, und ihre Gliedmaßen
waren mit einem Mal eiskalt. Wie im Nebel sah sie Bigfords
aufgerissene Augen und zielte auf ihn. Der hinterhältige
Schweinehund sollte ihr nicht mehr zu nahe kommen! Der
Schuss ging in dem Tumult um sie herum beinahe unter.
Weitere Schüsse Unbeteiligter waren die Antwort. Eine Kugel
schlug direkt neben ihr in die Mauer ein und hinterließ ein
schwelendes Loch. Jacquotte schloss für einen kurzen Moment
die Augen. Als sie sie wieder öffnete, war Bigford
verschwunden. Sie hielt sich die Seite. Der Schmerz war so
präsent, dass er ihr Denken überlagerte. Unheilvoll breitete
er sich aus und sandte ein Meer züngelnder Flammen in ihren
Unterleib. Sie wusste, sie war in Gefahr, wenn sie blieb, wo
sie war, aber ihr Körper versagte ihr den Dienst.
    »Euer Blut schmeckt delikat«, vernahm sie ein Flüstern zu
ihrer Rechten. Die Stimme war ihr unbekannt, doch dieses
Gesicht hatte sie bereits gesehen. Mühsam versuchte sie,
sich zu konzentrieren. Der Mann leckte die Klinge eines
Dolchs ab, und seine Augen weiteten sich. Er lachte.
    »Man sagt, Ihr segelt mit dem Tod. Wie gefällt es Euch,
wenn Ihr ihm heute die Hand reichen könnt?« Das Messer
zuckte im Schein der Fackeln.
    »Jean-David Nau.«
    »Ebendieser.«
    »Was wollt Ihr?«
    »Das, was viele wollen. Euer Ableben.«
    »Ich segle im Namen der Bruderschaft!« Jacquotte versagte
die Stimme.
    »Glaubt weiter daran, wenn Ihr wollt. Ich tue nur, was
bereits geplant ist. Seht es als Ehre an, durch meine Hand
zu sterben!« L’Olonnais zog die Oberlippe hoch und
schnupperte. »Es ist bald soweit. Das Leben entrinnt Euch.
Ich kann es riechen!«
    »Das ist das Salzwasser in meinen Gewändern, du moderiger
Haufen Schildkrötenscheiße!« Jacquotte spuckte ihm ins
Gesicht, zückte ihre Machete und stach zu. Der Schwindel
nahm ihr die Geschicklichkeit und die Waffe glitt am
Hüftknochen des Olonnaisen ab. Mit einem Ruck schoss die
Klinge nach oben, zerschnitt sie ihm das Hemd, ritzte ihm
Bauch und Brust auf und blieb in seinem Hals stecken. Mit
entsetztem Gurgeln taumelte er rückwärts. Die Waffe fiel zu
Boden, und sie sank hintendrein. Sie zitterte und ihr war,
als erhoben sich wirbelnde Schatten, um sie zu umarmen.
Jacquotte rang um ihr Bewusstsein. Aus den Augenwinkeln sah
sie, dass L’Olonnais sich an die Kehle griff. Blut tropfte
über seine Hose zu Boden. Er fletschte die Zähne, bevor er
in der Menge untertauchte. Jacquotte atmete aus. Unendliche
Mattigkeit senkte sich über sie. Der Lärm der Straße wurde

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