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Jonathan Strange & Mr. Norrell

Jonathan Strange & Mr. Norrell

Titel: Jonathan Strange & Mr. Norrell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Clarke
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widerspenstigen Mann zu bewegen, London zu verlassen und Ein Zauberspruch, um herauszufinden, was mein Feind gerade tut .
    »Der Zauberer vom Hanover Square!«, sagte Vinculus.
    Childermass (denn er war es) nickte.
    Vinculus las die Zaubersprüche durch. Der erste sollte das Opfer glauben machen, dass alle Kirchhöfe in London von den Toten heimgesucht wurden, die dort begraben waren, und dass sich auf jeder Brücke die Selbstmörder herumtrieben, die sich von ihnen hinuntergestürzt hatten. Das Opfer sollte die Toten so sehen, wie sie zum Zeitpunkt ihres Todes ausgesehen hatten, mit allen Anzeichen von Gewalttätigkeit, Krankheit und extrem hohem Alter. Auf diese Weise bekäme es immer größere Angst, bis er es nicht mehr wagen würde, über eine Brücke oder an einer Kirche vorbeizugehen – was in London eine große Unannehmlichkeit darstellt, denn die Brücken sind nicht weiter als hundert Meter voneinander entfernt, und die Kirchen stehen noch dichter beieinander. Der zweite Zauberspruch sollte das Opfer davon überzeugen, dass es seine wahre Liebe und alles Glück der Welt auf dem Land finden würde, und der dritte Zauberspruch – mit dem Ziel herauszufinden, was der Feind gerade tut – hatte etwas mit einem Spiegel zu tun, und Mr. Norrells Absicht war es wohl gewesen, es Childermass damit zu ermöglichen, Vinculus auszuspionieren.
    Vinculus grinste höhnisch. »Du kannst dem Mayfair-Zauberer ausrichten, dass seine Zaubersprüche bei mir keine Wirkung zeigen.«
    »Wirklich?«, sagte Childermass sarkastisch. »Das liegt vielleicht daran, dass ich sie noch nicht angewandt habe.«
    Vinculus warf die Papiere auf den Boden. »Dann tu's doch jetzt!« Er verschränkte trotzig die Arme und ließ seine Augen aufblitzen, wie er es immer tat, wenn er den Geist der Themse heraufbeschwören wollte.
    »Nein, danke.«
    »Und warum nicht?«
    »Weil ich es wie du nicht ausstehen kann, wenn man mir sagt, wie ich etwas erledigen soll. Mein Herr hat mir befohlen, dich aus London zu verjagen. Aber ich habe vor, es auf meine Weise zu tun, nicht auf seine. Komm, Vinculus, ich halte es für das Beste, wenn du und ich ein wenig miteinander plaudern.«
    Vinculus dachte darüber nach. »Und könnte diese Plauderei an einem wärmeren Ort stattfinden? In einer Schänke vielleicht?«
    »Gewiss, wenn du es wünschst.«
    Die Papiere mit Norrells Zaubersprüchen flatterten um ihre Füße. Vinculus bückte sich, sammelte sie auf und steckte sie in die Brusttasche seines Rocks, ohne auf die Strohhalme und den Dreck zu achten, die daran klebten.
KAPITEL 21
Die Karten von Marseille
Februar 1808
    Die Schänke hieß die »Ananas« und war einst Zufluchtsort und Versteck eines berüchtigten Diebes und Mörders gewesen. Dieser Dieb hatte einen Feind gehabt, einen Mann, so böse wie er selbst. Der Dieb und sein Feind waren bei irgendeinem schrecklichen Verbrechen Komplizen gewesen, aber der Dieb hatte die gesamte Beute behalten und der Polizei einen Tipp gegeben, wo sein Feind zu finden sei. Sobald der Feind aus dem Newgate-Gefängnis entkommen war, marschierte er mitten in der Nacht mit dreißig Mann zur »Ananas«. Er ließ sie die Schindeln vom Dach reißen und sogar die Mauern auseinander nehmen, bis er den Dieb herausziehen konnte. Niemand sah, was als Nächstes passierte, aber viele hörten die grauenhaften Schreie in der stockdunklen Straße. Der Wirt musste feststellen, dass der finstere Ruf der »Ananas« das Geschäft belebte, und infolgedessen machte er sich nicht die Mühe, das Haus richtig instand zu setzen, sondern verschloss die Löcher mit Brettern und Pech, und danach sah es aus, als trüge es nach einer Rauferei mit den Nachbarhäusern Bandagen.
    Drei rutschige Stufen führten von der Tür in einen düsteren Schankraum. Die »Ananas« hatte ihren ganz eigenen Duft, eine Mischung aus Bier, Tabak, den natürlichen Ausdünstungen der Gäste und dem unseligen Gestank des Fleet River, der seit zahllosen Jahren als Abwasserkanal benutzt wurde. Der Fleet floss unter den Fundamenten der »Ananas«, und allgemein ging man davon aus, dass die »Ananas« allmählich im Fleet versank. Die wände des Schankraums waren mit billigen Stichen dekoriert, Porträts berühmter Verbrecher aus dem letzten Jahrhundert, die alle gehängt worden waren, und Porträts der zügellosen Söhne des Königs, die noch nicht gehängt worden waren.
    Childermass und Vinculus setzten sich an einen Tisch in der Ecke. Ein schemenhaftes Mädchen brachte eine billige

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