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Jonathan Strange & Mr. Norrell

Jonathan Strange & Mr. Norrell

Titel: Jonathan Strange & Mr. Norrell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Clarke
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vorzustellen, der weniger wie ein Putzmacher aussah als dieser Mann, war schwierig. Vinculus wusste so gut wie nichts über Putzmacher, aber er wusste sehr wohl, dass sie sich in der Regel nach dem letzten Schrei der Mode kleideten. Dieser Mann trug einen uralten schwarzen Überzieher, der ein Dutzend Mal ausgebessert und geflickt war. Sein Hemd war zwar sauber und von guter Qualität, wäre aber schon vor zwanzig Jahren altmodisch gewesen. Vinculus kannte die Namen der hundert ausgefallenen Artikel nicht, die Putzmacher herstellen, aber er wusste, dass Putzmacher sie kennen. Dieser Mann kannte sie nicht, er nannte sie »Fol-de-lols«.
    Bei dem kalten Wetter war der Boden zu einer unglücklichen Mischung aus Eis und gefrorenem Schlamm verklumpt, und während Vinculus die Einzelheiten in ein schmieriges kleines Buch schrieb, verlor er irgendwie das Gleichgewicht und fiel gegen den unwahrscheinlichen Putzmacher. Er versuchte, wieder auf die Füße zu kommen, aber der gefrorene Boden war so tückisch, dass er den Mann als eine Art Leiter benutzen und sich an ihm hochziehen musste. Der unwahrscheinliche Putzmacher blickte angewidert drein, als ihm starke Bier- und Kohldünste ins Gesicht schlugen und ihn knochige Finger überall betasteten, aber er sagte nichts.
    »Tschuldigung«, murmelte Vinculus, als er sich endlich wieder in einer aufrechten Position befand.
    »Gewährt«, sagte der unwahrscheinliche Putzmacher höflich und wischte sich die alten Krümel, die Brocken Schmutz und Erde und andere kleine Zeichen von Vinculus' Zugriff vom Überzieher.
    Auch Vinculus zog seine Kleider zurecht, die bei seinem Sturz etwas in Unordnung geraten waren.
    Der unwahrscheinliche Putzmacher fuhr mit seiner Geschichte fort.
    »Also, wie gesagt, mein Geschäft floriert, und meine Hüte sind die gefragtesten in ganz Windsor, und es vergeht kaum eine Woche, in der nicht eine Prinzessin aus dem Schloss kommt, um einen neuen Hut oder ein Fol-de-lol zu bestellen. Ich habe einen großen goldenen Gipsabdruck des königlichen Wappens über meine Tür gehängt, damit alle wissen, dass sie zu meinen Kundinnen gehören. Aber trotzdem muss ich sagen, dass die Putzmacherei eine Menge Arbeit ist. Spätabends bin ich noch auf und mache Hüte, zähle Geld und so weiter. Mir scheint, mein Leben wäre viel einfacher, wenn sich eine der Prinzessinnen in mich verlieben und mich heiraten würde. Kennst du einen guten Spruch, Zauberer?«
    »Einen Liebeszauber? Sicher. Aber der wird teuer. Normalerweise verlange ich vier Schillinge für einen Zauber, um ein Milchmädchen zu ergattern, zehn Schillinge für eine Näherin und sechs Guineen für eine Witwe mit einem eigenen Geschäft. Eine Prinzessin ... Hmm.« Vinculus kratzte sich mit den schmutzigen Fingernägeln die unrasierte Backe. »Vierzig Guineen«, schätzte er.
    »In Ordnung.«
    »Und welche soll es sein?«, fragte Vinculus.
    »Welche soll was sein?«, fragte der unwahrscheinliche Putzmacher.
    »Welche Prinzessin?«
    »Sie sind alle ziemlich gleich, oder? Ändert sich der Preis mit der Prinzessin?«
    »Nein, nicht wirklich. Ich werde dir den Zauber auf ein Stück Papier schreiben. Reiß das Papier entzwei und näh die eine Hälfte auf Brusthöhe in deinen Rock. Die andere Hälfte musst du an einem geheimen Ort in ein Kleidungsstück der Prinzessin nähen, für die du dich entscheidest.«
    Der unwahrscheinliche Putzmacher blickte erstaunt drein. »Und wie um alles in der Welt soll ich das tun?«
    Vinculus sah den Mann an. »Du hast doch gerade gesagt, dass du ihre Hüte machst.«
    Der unwahrscheinliche Putzmacher lachte. »Aber natürlich!«
    Vinculus starrte den Mann misstrauisch an. »Du bist genauso wenig ein Putzmacher, wie ich ein ... ein ...«
    »Wie du ein Zauberer bist?«, sagte der unwahrscheinliche Putzmacher. »Du musst jedenfalls zugeben, dass es nicht dein einziger Beruf ist. Schließlich hast du mir gerade die Taschen geleert.«
    »Nur weil ich wissen wollte, was für eine Art Gauner du bist«, erwiderte Vinculus. Und er schüttelte den Arm, bis alle Dinge, die er aus den Taschen des unwahrscheinlichen Putzmachers gestohlen hatte, aus seinem Ärmel fielen. Es waren eine Hand voll Silbermünzen, zwei goldene Guineen und drei oder vier gefaltete Blätter Papier. Er hob die Papiere auf.
    Die Blätter waren klein, dick und von ausgezeichneter Qualität. Sie waren eng beschrieben in einer kleinen ordentlichen Handschrift. Oben auf der ersten Seite stand: Zwei Zaubersprüche, um einen

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