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Jonathan Strange & Mr. Norrell

Jonathan Strange & Mr. Norrell

Titel: Jonathan Strange & Mr. Norrell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Clarke
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Talgkerze und zwei Zinnkrüge mit heißem gewürztem Bier. Childermass zahlte.
    Eine Weile tranken sie schweigend, und dann blickte Vinculus auf zu Childermass. »Was sollte dieser Unsinn von Prinzessinnen und Hüten?«
    Childermass lachte. »Ach, das war nur so eine Idee von mir. Seit dem Tag, an dem du bei meinem Herrn in der Bibliothek aufgetaucht bist, bittet er seine einflussreichen Freunde, ihm dabei zu helfen, dich zu vernichten. Er bat Lord Hawkesbury und Sir Walter Pole, diesbezüglich beim König vorzusprechen. Ich glaube, er meinte, Seine Majestät würde mit dem Heer gegen dich in den Krieg ziehen, doch Lord Hawkesbury und Sir Walter sagten, es wäre unwahrscheinlich, dass der König wegen eines zerlumpten Zauberers hinter gelben Vorhängen so einen Aufwand treiben würde. Aber dann kam mir der Gedanke, dass Seine Majestät es sich anders überlegen könnte, wenn er erführe, dass du die Jungfräulichkeit seiner Töchter bedrohst.« 37 Cildermass trank noch einen Schluck gewürztes Bier. »Aber sag, Vinculus, hast du die falschen Zaubersprüche und angeblichen Orakel nicht satt? Die Hälfte deiner Kunden lacht dich aus. Sie glauben genauso wenig an deine Zauberkünste wie du selbst. Deine Zeit ist vorbei. Es gibt jetzt einen richtigen Zauberer in England.«
    Vinculus schnaubte angewidert. »Der Zauberer vom Hanover Square! Alle bedeutenden Männer Londons sitzen da und beteuern sich gegenseitig, dass ihnen noch nie ein so ehrlicher Mann begegnet ist. Aber ich kenne Zauberer, und ich kenne die Zauberei, und ich sage: Alle Zauberer lügen und dieser mehr als die meisten.«
    Childermass zuckte die Achseln, als lohnte es nicht die Mühe, es zu leugnen.
    Vinculus beugte sich vor. »Zauber wird auf dem Antlitz der steinigen Hügel geschrieben stehen, aber ihr Geist wird ihn nicht erfassen können. Im Winter werden die kahlen Bäume eine schwarze Schrift sein, aber sie werden sie nicht verstehen.«
    »Bäume und Hügel, Vinculus? Wann hast du zum letzten Mal einen Baum oder einen Hügel gesehen? Warum sagst du nicht, dass Zauber auf den Fassaden von schmutzigen Häusern steht oder der Rauch einen Zauberspruch in den Himmel schreibt?«
    »Es ist nicht meine Weissagung.«
    »Ach ja. Natürlich. Du behauptest, es wäre eine Weissagung des Rabenkönigs. Nun, das ist nichts Ungewöhnliches. Alle Scharlatane, die mir jemals über den Weg gelaufen sind, haben Botschaften des Rabenkönigs überbracht.«
    »Ich sitze auf einem schwarzen Thron in den Schatten« , murmelte Vinculus, »doch sie werden mich nicht sehen. Der Regen wird ein Tor für mich bilden, und ich werde hindurchgehen.«
    »Genau. Also, woher hast du die Weissagung, wenn du sie nicht selber geschrieben hast?«
    Einen Augenblick lang sah Vinculus so aus, als würde er nicht antworten, aber dann sagte er: »Sie steht in einem Buch.«
    »Ein Buch? Welches Buch? Die Bibliothek meines Herrn ist umfassend. Er kennt diese Weissagung nicht.«
    Vinculus schwieg.
    »Gehört das Buch dir?«, fragte Childermass.
    »Ich bewahre es auf, ja.«
    »Und woher willst du ein Buch haben? Wo hast du es gestohlen?«
    »Ich habe es nicht gestohlen. Ich habe es geerbt. Es ist die größte Ehre und die größte Last, die einem Menschen in diesen Zeiten zuteil wurde.«
    »Wenn es wirklich wertvoll ist, kannst du es Norrell verkaufen. Er hat schon öfter viel Geld für Bücher bezahlt.«
    »Der Zauberer vom Hanover Square wird dieses Buch niemals besitzen. Er wird es nicht einmal zu Gesicht bekommen.«
    »Und wo bewahrst du einen so großen Schatz auf?« Vinculus lachte kalt, als wollte er sagen, dass er das dem Diener seines Feindes wohl kaum erzählen würde.
    Childermass rief dem Mädchen zu, ihnen noch Bier zu bringen. Sie brachte es, und die beiden tranken wieder eine Weile schweigend. Dann holte Childermass einen Stapel Karten aus der Brusttasche seines Rocks und zeigte sie Vinculus. »Die Karten von Marseille. Hast du sie schon einmal gesehen?«
    »Oft«, sagte Vinculus. »Aber deine sind anders.«
    »Es sind Kopien von dem Satz eines Matrosen, den ich in Whitby kennen gelernt habe. Er hat sie in Genua gekauft, weil er damit die Verstecke von Piratengold aufspüren wollte, aber als er sie genau angesehen hat, musste er feststellen, dass er sie nicht deuten konnte. Er wollte sie mir verkaufen, aber ich hatte kein Geld und konnte den Preis nicht zahlen, den er verlangte. Wir haben ein Geschäft gemacht: Ich habe ihm die Zukunft vorausgesagt, und als Gegenleistung wollte er mir

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