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Jonathan Strange & Mr. Norrell

Jonathan Strange & Mr. Norrell

Titel: Jonathan Strange & Mr. Norrell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Clarke
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niemand verstand, welche Person welchen Becher bekommen sollte. Und dann stritten auch noch die Dienstboten, und alle wollten den gelben Becher mit den rosa Rosen. Ach! Ich meinte, dass ich es nie schaffen würde, seine Wünsche zu erfüllen. Hat Ihr Vater viele Menschen bedacht, Mr. Strange?«
    »Nein, Madam. Niemanden. Er hat die Menschen gehasst.«
    »Oh, so ein Glück, nicht wahr? Und was werden Sie jetzt tun?«
    »Tun?«, wiederholte Strange wie ein Echo.
    »Miss Woodhope hat gesagt, dass Ihr armer, lieber Vater Dinge gekauft und verkauft hat. Werden Sie das Gleiche tun?«
    »Nein, Madam. Wenn es nach mir geht – und ich glaube, so wird es sein –, werde ich das Geschäft meines Vaters so schnell wie möglich schließen.«
    »Oh! Dann werden Sie wohl mit der Landwirtschaft beschäftigt sein? Miss Woodhope hat gesagt, dass Sie sehr viel Land besitzen.«
    »So ist es, Madam. Aber ich habe es mit der Landwirtschaft versucht, und ich finde, sie entspricht mir nicht.«
    »Ah!«, sagte Mrs. Redmond weise.
    Dann herrschte Schweigen. Mrs. Redmonds Uhr tickte, und das Feuer im Kamin knisterte. Mrs. Redmond begann an den Seidenfäden einer Stickerei zu ziehen, die in ihrem Schoß lagen und einen beängstigenden Knoten bildeten. Dann verwechselte ihre schwarze Katze diese Beschäftigung mit einem Spiel, spazierte auf der Sofalehne entlang und versuchte, die Seidenfäden zu fangen. Arabella Woodhope lachte, nahm die Katze und spielte mit ihr. Das war genau die Art stiller häuslicher Szene, die Stranges Herz höher schlagen ließ (obschon er Mrs. Redmond nicht dabeihaben wollte und, was die Katze anbelangte, unentschieden war), und sie war in seinen Augen umso wünschenswerter, da er in seiner Kindheit nichts als Kälte und Unfreundlichkeit erfahren hatte. Die Frage war: Wie konnte er Arabella davon überzeugen, dass auch sie es wollte? Dann hatte er so etwas wie eine Inspiration, und er wandte sich ganz unvermittelt an Mrs. Redmond. »Kurzum, Madam, ich glaube nicht, dass ich Zeit dafür haben werde. Ich werde Zauberei studieren.«
    »Zauberei!«, rief Arabella und sah ihn überrascht an.
    Sie schien ihn zu diesem Thema befragen zu wollen, aber ausgerechnet in diesem höchst interessanten Augenblick war Mr. Redmond im Flur zu hören. Begleitet wurde er von seinem Hilfspfarrer Henry Woodhope – derselbe Henry Woodhope, der der Bruder von Arabella und Jonathan Stranges Freund aus Kindertagen war. Selbstverständlich mussten Mr. Redmond und Strange einander vorgestellt und Erklärungen abgegeben werden (Henry Woodhope hatte nicht gewusst, dass Strange kommen würde), und für den Moment war Stranges unerwartete Ankündigung vergessen.
    Die Herren kamen gerade von einer Gemeindeversammlung, und sobald alle im Wohnzimmer wieder Platz genommen hatten, überbrachten Mr. Redmond und Henry Mrs. Redmond und Arabella diverse Neuigkeiten aus der Gemeinde. Dann erkundigten sie sich nach Stranges Reise, dem Zustand der Straßen und wie es den Bauern in Shropshire, Herefordshire und Gloucestershire erging (durch diese Grafschaften war Strange geritten). Um sieben Uhr wurde zum Abendessen gedeckt. Im darauf folgenden Schweigen, während sie alle aßen und tranken, sagte Mrs. Redmond zu ihrem Mann: »Mr. Strange will Zauberer werden, mein Lieber.« Sie sprach, als wäre es das Natürlichste der Welt, und in ihren Augen war es das auch.
    »Zauberer?«, sagte Henry erstaunt. »Warum solltest du das tun wollen?«
    Strange zögerte. Er wollte den wahren Grund – der darin bestand, Arabella mit seinem Entschluss, etwas Vernünftiges und Gelehrtes zu tun, zu beeindrucken – nicht nennen, und deswegen nahm er Zuflucht zu der einzigen anderen Erklärung, die ihm einfiel. »Ich habe in Monk Gretton einen Mann unter einer Hecke getroffen, der mir gesagt hat, ich wäre ein Zauberer.«
    Mr. Redmond lachte in Anerkennung des Scherzes. »Sehr gut!«, sagte er.
    »Haben Sie das wirklich?«, fragte Mrs. Redmond.
    »Ich verstehe nicht«, sagte Henry Woodhope.
    »Sie glauben mir vermutlich nicht?«, sagte Strange zu Arabella.
    »Oh, ganz im Gegenteil, Mr. Strange«, sagte Arabella und lächelte amüsiert. »Das entspricht ganz Ihrer üblichen Art, die Dinge anzugehen. Es klingt nach dem soliden Fundament für eine Karriere, wie ich sie von Ihnen erwarte.«
    Henry sagte: »Aber wenn du einen Beruf ergreifen willst – und ich verstehe nicht, warum du das jetzt willst, da du dein Erbe antrittst –, könntest du dir doch etwas Besseres als Zauberei

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