Jonathan Strange & Mr. Norrell
greifen.) »Sie sind wertvoll. Ich habe jahrelang Qualen und schwere Prüfungen ertragen, um in ihren Besitz zu kommen.«
»Wie viel?«, fragte Strange.
»Sieben Schillinge und Sixpence«, sagte Vinculus.
»Gut.«
»Sie haben doch nicht etwa vor, ihm Geld zu geben, Sir?«, fragte Jeremy Johns.
»Wenn er dafür aufhört zu reden, dann ja, gewiss.«
Die Leute betrachteten Strange und Jeremy Johns mittlerweile nicht mehr sehr freundlich. Ihr Auftauchen war mehr oder weniger zeitgleich mit Vinculus' Erwachen erfolgt, und die Dörfler fragten sich, ob sie nicht zwei Erscheinungen aus Vinculus' Träumen sein könnten. Sie begannen einander zu beschuldigen, Vinculus geweckt zu haben. Sie hoben gerade an, miteinander zu streiten, als eine amtlich wirkende Person mit einem großen Hut kam und Vinculus davon in Kenntnis setzte, dass er als Armer ins Arbeitshaus zu gehen habe. Vinculus erwiderte, dass er nichts dergleichen tun würde, da er nicht länger mittellos sei – er besitze sieben Schillinge und Sixpence. Und er hielt dem Mann auf höchst unverschämte Art und Weise das Geld vors Gesicht.
Gerade als es schien, als würde, aus welchem Grund auch immer, eine Prügelei ausbrechen, wurde der Friede im Dorf Monk Gretton wieder hergestellt, einfach weil Vinculus sich abwandte und in die eine Richtung davonging, während Strange und Jeremy Johns in die andere davonritten.
Gegen fünf Uhr nachmittags erreichten sie ein Gasthaus im Dorf S. nahe Gloucester. Strange hatte so wenig Hoffnung, dass seine Begegnung mit Miss Woodhope anders als unglücklich für sie beide verlaufen würde, dass er sie auf den nächsten Morgen zu verschieben gedachte. Er bestellte ein gutes Abendessen und setzte sich mit einer Zeitung in einen bequemen Sessel am Feuer. Aber bald musste er feststellen, dass Bequemlichkeit und Ruhe ein schlechter Ersatz für Miss Woodhopes Gesellschaft waren, deswegen bestellte er das Abendessen wieder ab und machte sich augenblicklich auf den Weg zu Mr. und Mrs. Redmonds Haus, um so schnell wie möglich mit dem Unglücklichsein zu beginnen. Er traf nur die Damen zu Hause an, Mrs. Redmond und Miss Woodhope.
Liebende sind selten die rationalsten Wesen der Schöpfung, und so wird es meine Leser nicht überraschen, dass Stranges Überlegungen ein sehr unzutreffendes Porträt von Miss Woodhouse abgaben. Man könnte zwar sagen, dass seine fiktiven Gespräche mit ihr ihre Ansichten beschrieben, aber sie erlaubten keinen Rückschluss auf ihre Neigungen und ihr Verhalten . Es war nicht ihre Gewohnheit, Menschen, die kürzlich einen Verlust erlitten hatten, mit der Forderung zu schikanieren, sie sollten Armenhäuser und Schulen bauen. Ebenso wenig hatte sie an dem, was Strange sagte, nichts auszusetzen. So unnatürlich war sie nicht.
Sie begrüßte ihn auf ganz andere Art als die mürrische, mäkelnde junge Dame seiner Vorstellung. Anstatt zu verlangen, dass er die Fehler seines Vaters augenblicklich rückgängig machte, verhielt sie sich ihm gegenüber ausgesprochen freundlich und schien ganz und gar entzückt, ihn wiederzusehen.
Sie war etwa zweiundzwanzig Jahre alt. Wenn sie schwieg, waren ihre Züge nicht weiter bemerkenswert. Ihr Gesicht und ihre Figur hatten nichts Außergewöhnliches an sich, aber sie hatte die Art Gesicht, das sich vollkommen verwandelt, wenn ein Gespräch oder ein Lachen es belebt. Sie war von lebhaftem Temperament, hatte eine rasche Auffassungsgabe und eine Vorliebe für das Komische. Sie war stets bereit zu lächeln, denn ein Lächeln ist der schönste Schmuck, den eine Dame tragen kann, und gelegentlich stellte sie Frauen in den Schatten, die anerkannte Schönheiten in drei Grafschaften waren.
Ihre Freundin, Mrs. Redmond, war ein freundliches, friedliches Wesen von fünfundvierzig Jahren. Sie war weder wohlhabend noch weit gereist und auch nicht besonders klug. Unter anderen Umständen hätte sie nicht gewusst, was sie zu einem so weltgewandten Mann wie Jonathan Strange hätte sagen sollen, aber glücklicherweise war sein Vater gerade gestorben, und das war Thema genug.
»Ich bin sicher, dass Sie im Augenblick sehr beschäftigt sind, Mr. Strange«, sagte sie. »Ich weiß noch, als mein eigener Vater starb, gab es eine Menge zu tun. Er hat so viele Personen bedacht. Auf dem Kaminsims in unserer Küche standen ein paar Porzellanbecher. Mein Vater wollte, dass jeder unserer Dienstboten einen Becher bekam. Aber die Beschreibungen der Becher in seinem Testament waren so verwirrend, dass
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