Jonathan Strange & Mr. Norrell
helfen sollen, die Franzosen zu besiegen – ich glaube, er denkt dabei an diese halb elfischen, halb menschlichen Frauen, an die sich früher böse Menschen wandten, wenn sie ihren Nachbarn Schaden zufügen wollten, kurzum die Sorte Hexen, wie sie Shakespeare in Macbeth beschreibt. Er bat mich, drei oder vier von ihnen herbeizuzitieren, und war nicht gerade erfreut, als ich mich weigerte. Moderne Magie vermag vieles, aber Hexen zu rufen könnte uns alle in große Schwierigkeiten stürzen. Und jetzt befürchte ich, dass er nach Mr. Strange schicken wird. Mr. Lascelles, halten Sie das für möglich? Und dann könnte Mr. Strange es versuchen, ohne die damit einhergehenden Gefahren zu begreifen. Vielleicht sollte ich Sir Walter schreiben und ihn bitten, ob er so gut sein und Seine Lordschaft vor Mr. Strange warnen könnte.«
»Ach«, sagte Mr. Lascelles, »das wird nicht nötig sein. Wenn Sie der Ansicht sind, dass Mr. Stranges Zauberei nicht sicher ist, dann wird sich das rasch herumsprechen.«
Später am selben Tag fand ein Essen zu Mr. Norrells Ehren in einem Haus in der Great Titchfield Street statt, bei dem auch Mr. Drawlight und Mr. Lascelles zugegen waren. Es dauerte nicht lange, und Mr. Norrell wurde nach seiner Meinung über den Zauberer aus Shropshire gefragt.
»Mr. Strange«, sagte Mr. Norrell, »scheint ein sehr freundlicher Herr und sehr begabter Zauberer zu sein, der sich noch als höchst rühmliche Ergänzung unseres gewiss in letzter Zeit etwas dezimierten Berufsstands erweisen könnte.«
»Mr. Strange scheint ein paar sehr eigenartige Vorstellungen von Zauberei zu unterhalten«, sagte Lascelles. »Er hat es nicht für notwendig erachtet, sich über die modernen Ideen zu diesem Thema kundig zu machen – damit meine ich selbstverständlich Mr. Norrells Ideen, die die Welt dank ihrer Klarheit und Prägnanz so in Erstaunen versetzt haben.«
Mr. Drawlight wiederholte seine Meinung, dass Mr. Stranges rotes Haar nicht vorteilhaft sei und Mrs. Stranges Kleid nicht gerade elegant, aber aus sehr hübschem Musselin gewesen sei.
Etwa zur gleichen Zeit, als dieses Gespräch stattfand, setzte sich eine andere Gruppe (darunter Mr. und Mrs. Strange) in einem bescheideneren Speisezimmer in einem Haus am Charterhouse Square zum Essen. Mr. und Mrs. Stranges Freunde waren natürlich höchst neugierig, ihre Meinung über den großen Mr. Norrell zu erfahren.
»Er sagt, dass er hofft, der Rabenkönig werde bald vergessen sein«, sagte Strange verwundert. »Was soll man davon halten? Ein Zauberer, der hofft, dass der Rabenkönig bald vergessen sein wird! Das erscheint mir genauso sinnlos, als würde der Erzbischof von Canterbury dabei ertappt, heimlich alles dafür zu tun, dass niemand von der Dreieinigkeit erfährt.«
»Oder wie ein Musiker, der die Musik von Herrn Händel verstecken will«, sagte eine Dame mit Turban, die Artischocken mit Mandeln aß.
»Oder ein Fischhändler, der die Leute davon überzeugen will, dass es das Meer nicht gibt«, sagte ein Herr und nahm sich ein großes Stück Seebarbe in guter Weinsoße.
Dann führten andere Leute ähnliche Beispiele solcher Torheit an, und alle lachten, außer Strange, der stirnrunzelnd auf sein Essen blickte.
»Ich dachte, du wolltest Mr. Norrell bitten, dir zu helfen«, sagte Arabella.
»Wie hätte ich das können, wenn wir vom ersten Augenblick an nur im Streit lagen?«, sagte Strange. »Er mag mich nicht. Und ich mag ihn nicht.«
»Er mag dich nicht! Nein, vielleicht mag er dich wirklich nicht. Aber er hat die ganze Zeit, die wir dort waren, niemand anders angeschaut. Es war, als wollte er dich mit den Augen verschlingen. Ich nehme an, dass er einsam ist. Er hat so viele Jahre studiert, und nie gab es jemanden, dem er seine Gedanken hätte erklären können. Bestimmt nicht den beiden unangenehmen Herren – ich habe ihre Namen vergessen. Aber jetzt, da er dich kennen gelernt hat – und er weiß, dass er mit dir reden kann –, nun, da wäre es schon sehr merkwürdig, wenn er dich nicht wieder einlüde.«
In der Great Titchfield Street legte Mr. Norrell die Gabel aus der Hand und betupfte sich den Mund mit der Serviette. »Selbstverständlich«, sagte er, »muss er fleißig studieren. Ich habe ihn gedrängt, fleißig zu studieren.«
Am Charterhouse Square sagte Strange: »Er hat gesagt, ich soll fleißig studieren. Wie denn?, habe ich ihn gefragt. Studieren Sie die Bücher, hat er gesagt. Nie im Leben hat mich etwas mehr erstaunt. Beinahe hätte ich ihn
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