Jonathan Strange & Mr. Norrell
gefragt, was ich lesen soll, wenn er alle Bücher hat.«
Am nächsten Tag sagte Strange zu Arabella, dass sie jederzeit nach Shropshire zurückkehren könnten – er glaube nicht, dass sie in London noch etwas aufhalte. Er sagte zudem, dass er beschlossen habe, nicht mehr an Mr. Norrell zu denken. Das gelang ihm während der nächsten Tage nicht vollständig, denn Arabella musste sich immer wieder lange Vorträge über Mr. Norrells berufliche und persönliche Unzulänglichkeiten anhören.
Unterdessen erkundigte sich am Hanover Square Mr. Norrell beständig bei Mr. Drawlight, was Mr. Strange tat, wen er besuchte und was die Leute von ihm hielten.
Diese Entwicklung beunruhigte Mr. Lascelles und Mr. Drawlight ein wenig. Seit über einem Jahr hatten sie einen nicht unerheblichen Einfluss auf den Zauberer, und als seine Freunde wurden sie von Generälen, Admirälen, Politikern und all jenen hofiert, die Mr. Norrells Ansicht zu diesem zu erfahren wünschten oder wollten, dass Mr. Norrell jenes tat. Der Gedanke, dass ein anderer Zauberer zu Mr. Norrell festere Bande schmieden könnte, als es Drawlight und Lascelles je möglich sein würde, dass er es auf sich nehmen könnte, Mr. Norrell zu beraten, war höchst unangenehm. Mr. Drawlight sagte zu Mr. Lascelles, dass sie Mr. Norrell abraten sollten, über den Zauberer aus Shropshire nachzudenken, und obwohl Mr. Lascelles' launenhaftes Naturell es ihm nicht gestattete, jemandem unzweideutig zuzustimmen, gibt es keinen Zweifel, dass er ebenso dachte.
Aber drei oder vier Tage nach Mr. Stranges Besuch sagte Mr. Norrell: »Ich habe gründlich darüber nachgedacht und bin zu dem Schluss gekommen, dass man etwas für Mr. Strange tun sollte. Er hat den Mangel an Büchern beklagt. Selbstverständlich sehe ich ein, dass das... Kurzum, ich habe beschlossen, ihm ein Buch zum Geschenk zu machen.«
»Aber Sir!«, rief Drawlight. »Ihre kostbaren Bücher! Sie dürfen sie nicht weggeben an andere Leute, schon gar nicht an andere Zauberer, die sie vielleicht nicht so weise nutzen werden wie Sie.«
»Nun«, sagte Mr. Norrell, »ich meine nicht eins meiner eigenen Bücher. Leider kann ich davon nicht ein einziges entbehren. Nein, ich habe bei Edwards und Skittering einen Band für Mr. Strange gekauft. Ich gebe zu, die Wahl fiel mir nicht leicht. Um ehrlich zu sein, es gibt viele Bücher, die ich Mr. Strange jetzt nur ungern empfehlen würde. Er ist noch nicht bereit dafür. Er würde alle möglichen falschen Vorstellungen daraus entnehmen. Dieses Buch« – Mr. Norrell betrachtete es etwas besorgt – »hat viele Mängel – ich fürchte, es hat sogar sehr viele Mängel. Mr. Strange wird das Zaubern daraus nicht lernen. Aber es steht viel darin über die Notwendigkeit fleißigen Forschens und die Gefahren verfrühter Publikation – Lehren, die sich Mr. Strange hoffentlich zu Herzen nehmen wird.«
Mr. Norrell lud also Strange erneut an den Hanover Square ein, und wie beim letzten Mal waren Drawlight und Lascelles anwesend, Strange jedoch kam allein.
Die zweite Begegnung fand in der Bibliothek statt. Strange betrachtete die Unmengen von Büchern, kommentierte sie jedoch mit keinem Wort. Vielleicht hatte sich sein Zorn gelegt. Beide Seiten schienen entschlossen, sich herzlicher zu verhalten.
»Sie erweisen mir eine große Ehre, Sir«, sagte Strange, als ihm Mr. Norrell das Geschenk überreichte. »Englische Zauberei von Jeremy Tott.« Er blätterte darin. »Von diesem Autor habe ich noch nie gehört.«
»Es ist die Biographie seines Bruders, eines theoretischen Magio-Historikers aus dem letzten Jahrhundert namens Horace Tott«, erklärte Mr. Norrell. 48 Er sprach von den Prinzipien fleißiger Forschung und nicht zu früher Publikation, die Strange erlernen sollte. Strange lächelte höflich, verneigte sich und sagte, das sei gewiss höchst interessant.
Mr. Drawlight bewunderte das Geschenk.
Mr. Norrell sah Strange mit einem eigenartigen Ausdruck an, als würde er sich über ein wenig Konversation mit ihm freuen, wüsste aber nicht, wie er beginnen sollte.
Mr. Lascelles erinnerte Mr. Norrell daran, dass Lord Mulgrave von der Admiralität innerhalb der nächsten Stunde erwartet würde.
»Ihre Arbeit wartet auf Sie, Sir«, sagte Strange, »ich möchte nicht stören. Und ich muss für Mrs. Strange etwas in der Bond Street erledigen, was nicht vergessen werden darf.«
»Und vielleicht werden wir eines Tages die Ehre haben«, sagte Drawlight, »dass Sie uns etwas vorzaubern werden, Mr.
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