Jonathan Strange & Mr. Norrell
würde Mr. Strange sehr gern kennen lernen«, sagte er.
Mr. Drawlight musste nicht lange warten, bevor er Zeuge des bedeutungsschweren Zusammentreffens der zwei Zauberer wurde (und das war gut so, denn Mr. Drawlight wartete nicht gern). Eine Einladung wurde ausgesprochen, und sowohl Lascelles als auch Drawlight waren anwesend, als Mr. Strange Mr. Norrell seine Aufwartung machte.
Er erwies sich weder als so jung noch als so gut aussehend, wie Mr. Norrell befürchtet hatte. Er war eher dreißig als zwanzig und, soweit es einem Mann gestattet ist, so etwas zu beurteilen, überhaupt nicht gut aussehend. Aber vollkommen unerwartet war, dass er in Begleitung einer hübschen jungen Frau kam: Mrs. Strange.
Mr. Norrell begann, indem er fragte, ob Mr. Strange seine Schriften mitgebracht hätte. Er würde, so sagte er, sehr gern lesen, was Mr. Strange geschrieben habe.
»Meine Schriften?«, sagte Strange und zögerte einen Moment. »Ich fürchte, Sir, ich weiß nicht, was Sie meinen. Ich habe nichts geschrieben.«
»Ach so«, sagte Mr. Norrell. »Mr. Drawlight hat mir erzählt, dass Sie gebeten wurden, etwas für Die Zeitschrift für den Herren zu schreiben, aber vielleicht...«
»Ach das«, sagte Strange. »Darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht. Nichols versichert mir, dass er es erst übernächsten Freitag braucht.«
»Freitag in einer Woche, und Sie haben noch nicht angefangen!«, sagte Mr. Norrell höchst erstaunt.
»Ach«, sagte Strange, »ich finde, je schneller man diese Sachen aus dem Kopf bekommt und aufs Papier und zu den Druckern bringt, umso besser. Ich nehme an, Sir« – er lächelte Mr. Norrell freundlich an –, »dass es Ihnen genauso ergeht.«
Mr. Norrell, der bislang noch nie etwas erfolgreich aus seinem Kopf bekommen und zu den Druckern gebracht hatte, dessen Entwürfe sich noch immer in dem einen oder anderen Stadium der Überarbeitung befanden, schwieg.
»Was ich schreiben werde«, fuhr Strange fort, »weiß ich noch nicht, aber wahrscheinlich wird es eine Widerlegung von Portisheads Artikel in Der Moderne Magier 47 . Haben Sie ihn gelesen, Sir? Ich war eine Woche lang wütend. Er wollte beweisen, dass moderne Zauberer sich nicht mit Elfen einlassen sollten. Es ist eine Sache, dass wir die Fähigkeit verloren haben, diese Geister zu rufen, aber eine ganz andere, auf die Absicht zu verzichten, sie jemals wieder in unseren Dienst zu nehmen. Ich habe keine Geduld mit solcher Zimperlichkeit. Aber am erstaunlichsten ist, dass ich bislang nirgendwo eine Kritik von Portisheads Artikel gefunden habe. Da wir jetzt so etwas wie eine zauberische Gemeinschaft bilden, glaube ich, dass es ganz falsch wäre, so einen dümmlichen Unfug unwidersprochen durchgehen zu lassen.«
Strange meinte offenbar, dass er genug gesagt hatte, und wartete darauf, dass einer der anderen Herren etwas erwiderte.
Nach einem kurzen Schweigen bemerkte Mr. Lascelles, dass Lord Portishead den Artikel auf Mr. Norrells ausdrücklichen Wunsch und mit Mr. Norrells Hilfe und Billigung geschrieben habe.
»Wirklich?« Strange blickte höchst überrascht drein.
Wieder herrschte kurz Schweigen, und dann erkundigte sich Lascelles ohne großes Interesse, wie man heutzutage die Zauberei erlernte.
»Aus Büchern«, sagte Strange.
»Ah, Sir«, rief Mr. Norrell aus, »ich freue mich sehr, das zu hören. Ich bitte Sie inständig, verschwenden Sie keine Zeit, indem Sie einen anderen Kurs einschlagen, sondern studieren Sie fleißig die Bücher. Kein Opfer an Zeit oder Vergnügen kann jemals zu groß dafür sein.«
Strange warf Mr. Norrell einen ironischen Blick zu und sagte: »Leider stellt der Mangel an Büchern ein großes Hindernis dar. Ich nehme an, dass Sie keine Vorstellung davon haben, wie wenige Zauberbücher in England noch in Umlauf sind, Sir. Alle Buchhändler stimmen darin überein, dass es vor ein paar Jahren noch sehr viele gab, aber jetzt...«
»Wirklich?«, unterbrach ihn Mr. Norrell hastig. »Das ist gewiss sehr sonderbar.«
Das darauf folgende Schweigen war besonders unangenehm. Da saßen die beiden einzigen englischen Zauberer der modernen Zeit. Der eine gestand ein, dass er keine Bücher hatte; der andere verfügte, wie allseits bekannt war, über zwei gut gefüllte Bibliotheken. Die Höflichkeit verlangte, dass Mr. Norrell sich anerbot, auszuhelfen; aber Mr. Norrell sagte kein Wort.
»Es müssen doch sehr seltsame Umstände gewesen sein«, sagte Mr. Lascelles nach einer Weile, »die Sie den Beruf des Zauberers
Weitere Kostenlose Bücher