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Jonathan Strange & Mr. Norrell

Jonathan Strange & Mr. Norrell

Titel: Jonathan Strange & Mr. Norrell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Clarke
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Erkältung oder heftigem Halsweh beeinträchtigt werden. Aber nach eingehender Überlegung bin ich zu dem Schluss gekommen, dass eine solche Aufteilung der Kräfte nicht angeraten ist. Überprüfen wir einmal den Fall, dass diese Kräfte in einem Ring eingeschlossen werden. Ringe gelten seit langem als besonders geeignet für diese Art Zauberei, weil sie klein sind. Ein Mann kann jahrelang einen Ring am Finger tragen, ohne Aufsehen zu erregen – das wäre anders, wenn er die gleiche Anhänglichkeit zu einem Buch oder einem Stein an den Tag legte –, und doch gibt es kaum einen Zauberer in der Geschichte, der einen Teil seiner Fähigkeiten und Kräfte in einen Ring gesteckt und diesen nicht irgendwann verloren hätte, woraufhin er sich natürlich größte Mühe geben musste, ihn wieder zu finden. Nehmen wir das Beispiel des Meisters von Nottingham aus dem zwölften Jahrhundert, dessen Tochter seinen Zauberring mit einem ganz normalen Ring verwechselte, ihn sich an den Finger steckte und auf den Jahrmarkt von St. Matthew ging. Diese nachlässige junge Frau ...«
    »Was?«, schrie Strange plötzlich.
    »Was?«, wiederholte Mr. Norrell erschrocken.
    Strange bedachte den anderen Herrn mit einem durchdringenden, fragenden Blick. Mr. Norrell sah ihn ein wenig verängstigt an.
    »Ich bitte vielmals um Entschuldigung, Sir«, sagte Strange. »Aber verstehe ich Sie richtig? Sprechen wir von zauberischen Kräften, die irgendwie in einen Ring, einen Stein, ein Amulett oder so übergehen?«
    Mr. Norrell nickte vorsichtig.
    »Aber ich dachte, Sie hätten gesagt«, fuhr Strange fort, »das heißt« – er bemühte sich, leiser zu sprechen –, »ich dachte , Sie hätten mir vor ein paar Wochen erzählt, dass Zauberringe und Zaubersteine in den Bereich der Märchen gehörten.«
    Mr. Norrell starrte seinen Schüler beunruhigt an.
    »Aber vielleicht habe ich mich getäuscht«, sagte Strange.
    Mr. Norrell schwieg.
    »Ich habe mich getäuscht«, wiederholte Strange. »Entschuldigen Sie, Sir, dass ich Sie unterbrochen habe. Bitte, fahren Sie fort.«
    Aber Mr. Norrell, der zwar höchst erleichtert schien, dass Strange die Frage selbst beantwortet hatte, sah sich nicht länger in der Lage, weiterzusprechen, und schlug stattdessen vor, Tee zu trinken; wozu Mr. Strange sich sofort bereit erklärte. 52
    An diesem Abend erzählte Strange Arabella alles, was Mr. Norrell gesagt und er, Strange, geantwortet hatte.
    »Es war wirklich das Komischste, was ich je erlebt habe. Er war so entsetzt darüber, ertappt worden zu sein, dass ihm nichts mehr einfiel. Ich musste mir neue Lügen für ihn ausdenken, die er mir dann auftischen konnte. Ich musste mich mit ihm gegen mich selbst verschwören.«
    »Aber ich verstehe nicht ganz«, sagte Arabella. »Warum sollte er sich selbst auf so merkwürdige Weise widersprechen?«
    »Weil er entschlossen ist, einige Dinge für sich zu behalten. So viel steht fest. Und ich nehme an, dass er sich nicht immer erinnert, was ein Geheimnis bleiben soll und was nicht. Ich habe dir doch erzählt, dass die Bücherschränke in seiner Bibliothek große Lücken aufweisen, erinnerst du dich? Nun, wie es scheint, hat er an dem Tag, an dem er mich als Schüler aufnahm, fünf Regale leer räumen und die Bücher nach Yorkshire schicken lassen, weil sie für mich zu gefährlich waren.«
    »Gütiger Gott! Wie hast du das herausgefunden?«, fragte Arabella überrascht.
    »Drawlight und Lascelles haben es mir erzählt. Es war ihnen ein großes Vergnügen.«
    »Diese boshaften Wichte!«
    Mr. Norrell war überaus enttäuscht, als er erfuhr, dass Stranges Ausbildung für einen oder zwei Tage unterbrochen werden musste, weil er und Arabella nach einem Haus suchten. »Seine Frau ist das Problem«, sagte Mr. Norrell seufzend zu Drawlight. »Wäre er ledig, dann hätte er vermutlich nichts dagegen, hier bei mir zu wohnen.«
    Drawlight war höchst beunruhigt, dass Mr. Norrell auf diese Idee verfallen war, und damit sie nicht wieder auflebte, ergriff er die Vorsichtsmaßnahme zu sagen: »Aber, Sir! Denken Sie doch an Ihre Arbeit für die Admiralität und für das Kriegsministerium, die so wichtig und so vertraulich ist. Die Anwesenheit einer anderen Person im Haus würde sie erheblich erschweren.«
    »Ja, aber Mr. Strange wird mir dabei helfen«, sagte Mr. Norrell. »Es wäre ganz falsch von mir, dem Land Mr. Stranges Talente vorzuenthalten. Letzten Donnerstag sind Mr. Strange und ich zur Admiralität gegangen, um Lord Mulgrave aufzuwarten.

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