Jonathan Strange & Mr. Norrell
falsch ist, Buonaparte zu vertrauen, weil Buonaparte ihn letztlich verraten wird«, sagte Strange zu Arabella. »Ich könnte ihm auch einen Brief des gleichen Inhalts schreiben. Es ist falsch, und nichts ist so sicher, als dass Buonaparte ihn letztlich verraten wird.«
Bald erhielten sie von der schottischen Dame die Nachricht, dass die Träume Alexander größtes Unbehagen bereiteten und dass er wie der biblische Nebukadnezar nach Astrologen und Wahrsagern geschickt hatte, die ihm den Traum deuten sollten -was sie auch gleich taten.
Strange schickte dem russichen Zaren weitere Träume. »Und«, sagte er zu Mr. Canning, »ich habe mich an Ihren Rat gehalten und sie obskurer und schwieriger zu deuten gemacht, damit die Traumdeuter des Zaren beschäftigt sind.«
Die unermüdliche Mrs. Janet Archibaldowna Barsukowa war bald in der Lage, die erfreuliche Nachricht zu übermitteln, dass Alexander das Regieren und den Krieg vernachlässigte, den ganzen Tag über seine Träume nachdachte und sie mit seinen Astrologen und Wahrsagern besprach. Und wann immer er einen Brief des Kaisers Napoleon Buonaparte erhielt, war nicht zu übersehen, dass er erbleichte und zitterte.
KAPITEL 26
Reichsapfel, Krone und Zepter
September 1809
Ausnahmslos jeden Abend wurden Lady Pole und Stephen Black von der traurigen Glocke zum Tanz in die schattigen Säle von Verlorene Hoffnung gerufen. Was Eleganz und Schönheit anbelangt, waren es zweifellos die glanzvollsten Bälle, die Stephen je erlebt hatte, aber die edlen Kleider und das stilvolle Auftreten der Tänzer standen in einem seltsamen Kontrast zu dem Gebäude, das zahlreiche Zeichen von Verarmung und Verfall aufwies. Die Musik war immer die gleiche. Ein paar wenige Melodien wurden von einer einzigen Violine und von einer einzigen Flöte gespielt. Im Schein der schmierigen Talgkerzen – Stephen sah mit den Augen des Butlers, dass es viel zu wenige für einen so großen Saal waren – warfen die Tänzer seltsame Schatten, die über die Wände zogen, während sie ihre Figuren ausführten.
Bisweilen nahmen Lady Pole und Stephen an langen Umzügen teil, bei denen Standarten durch verstaubte, schlecht beleuchtete Korridore getragen wurden (der Herr mit dem Haar wie Distelwolle liebte solche Zeremonien). Manche dieser Standarten waren uralte, in Auflösung befindliche Stickereien; auf anderen waren die Siege des Herrn über seine Feinde dargestellt; sie waren in der Tat aus der präparierten Haut dieser Feinde gefertigt, seine weiblichen Verwandten hatten tote Lippen, Augen, Haare und Kleider auf die gelbe Haut genäht. Der Herr mit dem Haar wie Distelwolle wurde dieser Vergnügungen nie überdrüssig und schien nicht im Geringsten daran zu zweifeln, dass auch Stephen und Lady Pole ebenso entzückt davon waren.
Obwohl er überaus wankelmütig war, veränderten sich zwei Dinge nie: seine Bewunderung für Ihre Ladyschaft und seine Zuneigung zu Stephen. Letztere bewies er immer wieder, indem er Stephen extravagante Geschenke machte und ihm zu sonderbaren Dingen verhalf. Manche Geschenke für Stephen nahmen den Umweg über Mrs. Brandy, andere gingen direkt an Stephen. »Ihr böser Feind wird nichts davon erfahren«, sagte der Herr frohgemut (er meinte Sir Walter damit). »Ich habe ihn schlauerweise verzaubert, so dass es ihm nicht im Traum einfallen würde, sich zu wundern. Ja, Sie könnten morgen der Erzbischof von Canterbury werden, und er würde sich nicht wundern. Niemand würde sich wundern.« Er schien eine Idee zu haben. »Würden Sie morgen gern der Erzbischof von Canterbury sein, Stephen?«
»Nein, danke, Sir.«
»Sind Sie ganz sicher? Es macht kaum Arbeit, und wenn Sie sich zur Kirche hingezogen fühlen ... ?«
»Ich schwöre, Sir, das ist nicht der Fall.«
»Ihr guter Geschmack spricht wie immer für Sie. Eine Mitra ist ein schrecklich unbequemes Ding und steht niemandem zu Gesicht. «
Der arme Stephen wurde von Wundern heimgesucht. Alle paar Tage geschah etwas zu seinem Vorteil. Manchmal war der Wert seines tatsächlichen Gewinns nicht weiter bemerkenswert – vielleicht nur ein paar Schillinge –, aber die Art und Weise, wie er dazu kam, war es immer. Einmal suchte ihn zum Beispiel der Aufseher eines Bauernhofs auf und bestand darauf, dass er Stephen ein paar Jahre zuvor bei einem Hahnenkampf in der Nähe von Richmond in Yorkshire kennen gelernt und Stephen mit ihm gewettet habe, dass der Prinz von Wales eines Tages etwas tun würde, was Schande über das Land brächte. Und da
Weitere Kostenlose Bücher