Jonathan Strange & Mr. Norrell
das jetzt geschehen war (der Aufseher führte als schändliche Tat an, dass der Prinz seine Frau verlassen hatte), war der Aufseher mit der Postkutsche nach London gekommen, um Stephen siebenundzwanzig Schillinge und Sixpence zu bringen – der Betrag, um den sie angeblich gewettet hatten. Vergeblich beharrte Stephen darauf, dass er nie bei einem Hahnenkampf oder in Richmond in Yorkshire gewesen wäre; der Aufseher gab sich erst zufrieden, als Stephen das Geld annahm.
Ein paar Tage nach dem Besuch des Aufsehers stand ein großer grauer Hund auf der Straße gegenüber dem Haus in der Harley Street. Das arme Tier war vom Regen durchnässt und mit Dreck bespritzt und hatte allem Anschein nach eine große Entfernung zurückgelegt. Noch kurioser war, dass es ein Dokument im Maul trug. Die Diener Robert und Geoffrey und John Longridge, der Koch, taten ihr Bestes, um ihn zu verjagen, indem sie ihn anschrien und Flaschen und Steine nach ihm warfen, aber der Hund ertrug diese Behandlung gleichmütig und weigerte sich, von der Stelle zu weichen, bis Stephen Black in den Regen hinausging und ihm das Dokument aus dem Maul nahm. Dann trottete er zufrieden davon, als hätte er einen schwierigen Auftrag zu aller Zufriedenheit erfüllt. Das Dokument erwies sich als Landkarte eines Dorfes in Derbyshire und wies unter anderen erstaunlichen Dingen eine in einen Hügel eingelassene geheime Tür auf.
Ein anderes Mal erhielt Stephen einen Brief vom Bürgermeister und von den Ratsherren von Bath, die schilderten, dass zwei Monate zuvor der Marquis von Wellesley in Bath gewesen war und während seines Aufenthalts nichts anderes getan hatte, als von Stephen Black und seiner bemerkenswerten Aufrichtigkeit, Intelligenz und Treue seinem Herrn gegenüber zu sprechen. Der Bürgermeister und die Ratsherren waren von dem Bericht Seiner Lordschaft so beeindruckt gewesen, dass sie auf der Stelle eine Medaille prägen ließen, um Stephens Leben und Tugenden zu feiern. Als fünfhundert Medaillen fertig waren, ließen der Bürgermeister und die Ratsherren sie zur allgemeinen Freude unter den bedeutendsten Bürgern von Bath verteilen. Sie hatten eine Medaille für Stephen beigelegt und baten ihn, dass er bei seinem nächsten Besuch in Bath bei ihnen vorstellig werden möchte, so dass sie ihm zu Ehren ein großartiges Gastmahl geben könnten.
Keines dieser Wunder hob die Stimmung des armen Stephen. Sie unterstrichen nur die unheimliche Beschaffenheit seines derzeitigen Lebens. Er wusste, dass der Aufseher, der Hund, der Bürgermeister und die Ratsherren alle gegen ihre Natur gehandelt hatten: Aufseher liebten Geld, sie gaben es nicht ohne guten Grund fort; Hunde gingen nicht geduldig wochenlang auf Suche; und Bürgermeister und Ratsherren entwickelten nicht plötzlich ein lebhaftes Interesse an einem schwarzen Butler, den sie nicht kannten. Aber keiner seiner Freunde fand den Kurs, den sein Leben eingeschlagen hatte, seltsam. Er hatte den Anblick von Gold und Silber satt, und sein kleines Zimmer ganz oben im Haus in der Harley Street war voll gestopft mit Schätzen, die er nicht wollte.
Seit fast zwei Jahren stand er unter dem Zauber des Herrn. Er hatte ihn oft gebeten, ihn davon zu befreien – und wenn nicht ihn, dann Lady Pole –, aber davon wollte der Herr nichts wissen. Deswegen fasste Stephen sich ein Herz und beschloss, jemandem von seinen und Lady Poles Leiden zu erzählen. Er wollte unbedingt herausfinden, ob es früher Fälle dieser Art gegeben hatte, denn er hegte die leise Hoffnung, jemanden zu finden, der sie befreien würde. Die erste Person, mit er darüber sprach, war Robert, der Diener. Er warnte Robert, dass er ihm vertraulich ein geheimes Leiden enthüllen wolle, und Robert blickte angemessen feierlich und interessiert drein. Als Stephen zu sprechen begann, musste er jedoch zu seiner eigenen Überraschung feststellen, dass er über etwas vollkommen anderes redete; er gab eine ernste und gelehrte Rede über den Anbau und die Verwendung von Erbsen und Bohnen zum Besten – ein Thema, über das er nichts wusste. Schlimmer noch, manche Passagen waren höchst ungewöhnlich und hätten jeden Gärtner oder Bauern in Erstaunen versetzt. Er erklärte die unterschiedlichen Eigenschaften von Bohnen, die bei Mondschein, ohne Mondschein, am 1. Mai oder zur Sommersonnenwende gepflanzt oder geerntet wurden und wie sich diese Eigenschaften veränderten, je nachdem, ob man die Bohnen mit einer silbernen Kelle oder einem Messer pflanzte oder
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