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Jonathan Strange & Mr. Norrell

Jonathan Strange & Mr. Norrell

Titel: Jonathan Strange & Mr. Norrell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Clarke
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Trinksprüche ausgegeben, und der Prinzregent hatte ihr zahlreiche Komplimente gemacht. Nun war es kurz nach Mitternacht, sie saß im Salon und dachte darüber nach, dass ihr zu ihrem Glück nur noch die Heimkehr ihres Mannes fehlte, als eines der Dienstmädchen hereinplatzte und rief: »Oh, Madam! Der Herr ist hier!«
    Jemand betrat das Zimmer.
    Er war eine schlankere braunere Person, als sie ihn in Erinnerung hatte. Sein Haar wies mehr graue Strähnen auf, und über seiner linken Augenbraue hatte er eine weißliche Narbe. Die Narbe war nicht frisch, aber sie hatte sie noch nie gesehen. Seine Gesichtszüge waren wie immer, aber irgendwie war er verändert. Das schien kaum die Person zu sein, an die sie noch vor einem Augenblick gedacht hatte. Doch bevor sie sich enttäuscht oder unbehaglich fühlen oder sonst etwas von dem empfinden konnte, was sie für seine Rückkehr befürchtet hatte, schaute er sich mit dem raschen, halb ironischen Blick um, den sie sofort wiedererkannte. Dann sah er sie mit dem vertrautesten Lächeln der Welt an und sagte: »Ich bin zu Hause.«
    Am nächsten Morgen hatten sie sich noch immer nicht einen Bruchteil dessen erzählt, was sie sich mitzuteilen hatten.
    »Setz dich dahin«, sagte Strange zu Arabella.
    »In diesen Sessel?«
    »Ja.«
    »Warum?«
    »Damit ich dich ansehen kann. Ich habe dich drei Jahre lang nicht gesehen, und das hat mir sehr gefehlt. Ich muss es nachholen.«
    Sie setzte sich, kurz darauf begann sie zu lächeln. »Jonathan, ich kann mich nicht beherrschen, wenn du mich so anstarrst. Bei der Geschwindigkeit wirst du es in einer halben Stunde nachgeholt haben. Es tut mir Leid, dich zu enttäuschen, aber du hast mich nie so viel angesehen. Deine Nase steckte immer in irgendeinem staubigen alten Buch.«
    »Stimmt nicht. Ich hatte völlig vergessen, wie streitsüchtig du bist. Gib mir das Stück Papier dort. Ich werde es mir aufschreiben.«
    »Nichts werde ich tun«, sagte Arabella und lachte.
    »Weißt du, was mein erster Gedanke heute Morgen nach dem Aufwachen war? Ich dachte, ich sollte aufstehen, mich rasieren und frühstücken, bevor der Diener irgendeines anderen Kerls das ganze heiße Wasser und alle Brötchen wegnimmt. Dann fiel mir ein, dass alle Dienstboten im Haus, das ganze heiße Wasser und alle Brötchen mir gehören. Ich glaube, ich war noch nie in meinem Leben so glücklich.«
    »Hattest du in Spanien überhaupt keine Annehmlichkeiten?«
    »Im Krieg heißt es entweder leben wie ein Fürst oder leben wie ein Vagabund. Ich habe gesehen, wie Lord Wellington – Seine Durchlaucht, sollte ich wohl sagen 78 – unter einem Baum schlief, mit einem Stein als Kissen. Und zu anderen Zeiten habe ich Diebe und Bettler gesehen, die auf Federbetten in prunkvollen Schlafzimmern schliefen. Im Krieg ist alles auf den Kopf gestellt.«
    »Nun, ich hoffe, du wirst es in London nicht langweilig finden. Der Herr mit dem Haar wie Distelwolle sagte, wenn man den Krieg erst mal gekostet hat, dann wird einem zu Hause ganz sicher langweilig.«
    »Was! Nein, sicher nicht! Jetzt, wo alles sauber ist und auch sonst so, wie man es sich wünscht? Und man all seine Bücher und den ganzen Besitz zur Hand hat und seine Frau vor sich sieht, wann immer man aufblickt? Was soll -? Wer, sagst du, war das? Der Herr mit was für einem Haar?«
    »Wie Distelwolle. Ich bin sicher, du weißt, wen ich meine. Er wohnt bei Sir Walter und Lady Pole. Das heißt, ich weiß nicht, ob er dort wohnt, aber ich sehe ihn immer, wenn ich dort bin.«
    Strange runzelte die Stirn. »Ich kenne ihn nicht. Wie heißt er?«
    Doch das wusste Arabella nicht. »Ich bin immer davon ausgegangen, dass er ein Verwandter von Sir Walter oder Lady Pole ist. Wie merkwürdig, dass ich nie auf die Idee gekommen bin, ihn nach seinem Namen zu fragen. Ich habe mich, ach, stundenlang mit ihm unterhalten.«
    »Wirklich? Ich weiß nicht, ob ich das gutheißen kann. Sieht er gut aus?«
    »Oh ja! Sehr gut! Wie eigenartig, dass ich nicht weiß, wie er heißt. Er ist sehr unterhaltsam. Ganz anders als die meisten Leute, die man trifft.«
    »Und worüber redet ihr?«
    »Ach, über alles Mögliche. Aber es endet immer damit, dass er mir ein Geschenk machen möchte. Letzten Montag wollte er mir einen Tiger aus Bengalen holen. Am Mittwoch wollte er mir die Königin von Neapel bringen – weil sie und ich, so meint er, uns so ähnlich sind, dass wir sicherlich beste Freundinnen wären, und am Freitag wollte er einen Dienstboten losschicken, damit er

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