Jonathan Strange & Mr. Norrell
Londoner Zeitungen gemeldet werden? Ob (zum Beispiel) die bemerkenswerten Ereignisse des heutigen Tags einen Absatz verdienen?«
»Ich weiß es nicht«, sagte Mr. Segundus. »Es erscheint mir durchaus möglich, aber andererseits ist Yorkshire weit weg von London – vielleicht werden die Londoner Verleger nie erfahren, was hier geschehen ist.«
»Aha«, sagte Mr. Childermass; und dann schwieg er.
Es begann zu schneien; zuerst fielen nur ein paar Flocken – dann wurden es immer mehr, bis eine Million kleiner Flocken aus dem weichen, schweren grünlich grauen Himmel herabschwebten. Alle Häuser von York wurden im Schnee ein bisschen verschwommener, ein bisschen grauer; die Menschen wirkten ein bisschen kleiner; die Rufe und Schreie, die Schritte und das Hufeklappern, das Ächzen der Kutschen und das Zuschlagen der Türen klang ein bisschen wie aus weiter Ferne. Und all diese Dinge wurden irgendwie unwichtiger, bis die Welt nur noch den fallenden Schnee enthielt, den meergrünen Himmel, das düstere graue Gespenst der Kathedrale von York – und Childermass.
Und während der ganzen Zeit sagte Childermass kein Wort. Mr. Segundus fragte sich, was er noch wollte – alle seine Fragen waren beantwortet. Aber Childermass wartete und betrachtete Mr. Segundus aus seinen sonderbaren schwarzen Augen, als wartete er darauf, dass Mr. Segundus noch einmal etwas sagte – als rechnete er fest damit, dass Mr. Segundus es sagte, ja, als wäre nichts in der Welt gewisser.
»Wenn Sie es wünschen«, sagte Mr. Segundus und schüttelte den Schnee von seinem Überzieher, »kann ich alle Unsicherheit in dieser Angelegenheit beseitigen. Ich kann dem Verleger der Times einen Brief schreiben und darin von Mr. Norrells außergewöhnlichen Taten berichten.«
»Ah! Das ist wirklich großzügig«, sagte Childermass. »Glauben Sie mir, Sir, ich weiß sehr wohl, dass nicht jeder Gentleman in der Niederlage so großmütig wäre. Aber ich habe nichts anderes von Ihnen erwartet. Denn ich habe zu Mr. Norrell gesagt, dass es keinen zuvorkommenderen Gentleman als Mr. Segundus gibt.« »Keine Ursache«, sagte Mr. Segundus. »Gern geschehen.«
Die Gelehrte Gilde der Zauberer von York löste sich auf, und ihre Mitglieder mussten alle (außer Mr. Segundus) die Zauberei aufgeben – und obwohl manche von ihnen dumm und nicht alle von ihnen liebenswürdig waren, glaube ich nicht, dass sie dieses Schicksal verdienten. Denn was soll ein Zauberer tun, der aufgrund einer schändlichen Vereinbarung nicht länger Zauberei studieren darf? Tag für Tag wandert er untätig durchs Haus, stört seine Nichte (oder seine Frau oder seine Tochter) bei der Näharbeit und belästigt die Dienstboten mit Fragen über Dinge, für die er sich bislang nicht interessiert hat, nur damit er jemanden zum Reden hat – bis sich die Dienstboten bei seiner Frau über ihn beschweren. Er nimmt ein Buch in die Hand und beginnt zu lesen, aber er achtet nicht auf das, was er liest, bis er auf Seite zweiundzwanzig feststellt, dass es sich um einen Roman handelt – die Art Machwerk, die er am meisten verachtet –, und es angewidert wieder weglegt. Er fragt seine Nichte (oder seine Frau oder seine Tochter) zehnmal am Tag nach der Uhrzeit, denn er will nicht glauben, dass die Zeit so langsam vergeht, und aus dem gleichen Grund hadert er ebenso oft mit seiner Taschenuhr.
Mr. Honeyfoot erging es Gott sei Dank ein wenig besser als den anderen. Er, gute Seele, die er war, beschäftigte sich vor allem mit der Geschichte, die die kleine steinerne Figur hoch oben im Zwielicht erzählt hatte. Jahrhundertelang hatte sie das Wissen um den schrecklichen Mord in ihrem kleinen steinernen Herzen getragen, sie erinnerte sich an das tote Mädchen mit den Efeuranken im Haar, als alle anderen es vergaßen, und Mr. Honeyfoot meinte, dass ihre Treue belohnt werden sollte. Und deswegen schrieb er an den Dekan, die Stiftsherren und den Erzbischof und belästigte sie so lange, bis diese wichtigen Persönlichkeiten Mr. Honeyfoot gestatteten, die Pflastersteine im südlichen Querschiff aufzubrechen. Als das getan war, entdeckten Mr. Honeyfoot und die Männer, die er angeheuert hatte, Knochen in einem bleiernen Sarg, genau, wie die kleine Figur es vorausgesagt hatte. Aber dann meinte der Dekan, dass er der Entfernung der Knochen aus der Kathedrale (was Mr. Honeyfoot wollte) einzig aufgrund der Aussage der kleinen steinernen Figur nicht zustimmen könne; für so etwas gebe es keinen Präzedenzfall. Ah!, sagte Mr.
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