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Jonathan Strange & Mr. Norrell

Jonathan Strange & Mr. Norrell

Titel: Jonathan Strange & Mr. Norrell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Clarke
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würden Marmorblöcke zerschlagen. Dann rissen sich die Steintiere von den Mauern des Pavillons los, krochen und watschelten daran herunter und über das Eis auf die Willise zu. Sie verdrehten die stumpfen Steinaugen in den Höhlen. Sie öffneten die steinernen Mäuler, und aus jedem steinernen Schlund schoss ein Wasserstrahl. Steinschwänze schlugen hin und her, und Steinbeine hoben und senkten sich steif. Die Eisenrohre, durch die das Wasser in ihre Mäuler lief, wurden hinter ihnen wundersamerweise immer länger.
    Die Willise und die Tollhauswärter starrten sie an, unfähig zu begreifen, was geschah. Die grotesken Kreaturen krochen weiter, zogen die Rohre hinter sich her und bespritzten die Willise mit Wasser. Die Willise kreischten und sprangen herum, aus Angst, nicht weil ihnen wirklich Schaden zugefügt wurde.
    Die Tollhauswärter rannten davon, und dass die Willise noch einen Augenblick länger in der Nähe des Königs blieben, kam nicht in Frage. In der kalten Luft gefroren ihre Kleider zu Eis.
    »Zauberer!«, schrie Dr. John, als er sich umdrehte, um ins Schloss zurückzurennen. »Das ist nur ein anderes Wort für Lügner! Lord Liverpool wird es erfahren, Zauberer! Er wird erfahren, wie Sie die Ärzte des Königs behandeln! Au! Au!« Er hätte noch mehr geschrien, aber die steinernen Figuren auf dem Dach des Pavillons waren aufgestanden und warfen mit Steinen nach ihm.
    Strange bedachte die beiden Willise lediglich mit einem verächtlichen Lächeln. Aber er tat selbstsicherer, als er sich fühlte. In Wahrheit wurde ihm allmählich entschieden unbehaglich zu Mute. Was immer da eben für ein Zauber betrieben worden war, er kam nicht von ihm.
KAPITEL 33
Stell den Mond in meine Augen
November 1814
    Es war höchst mysteriös. Konnte jemand im Schloss Zauberer sein? Einer der Dienstboten vielleicht? Oder eine der Prinzessinnen? Das war nicht wahrscheinlich. Konnte es Mr. Norrell gewesen sein? Strange stellte sich seinen Lehrer vor, wie er in dem kleinen Zimmer im zweiten Stock am Hanover Square saß, in seine silberne Schale schaute, alles beobachtete, was geschah, und schließlich die Willise mit Zauberei vertrieb. Er nahm an, dass es möglich gewesen wäre. Statuen zum Leben zu erwecken war schließlich so etwas wie eine Spezialität von Mr. Norrell. Damit war er auch das erste Mal an die Öffentlichkeit getreten. Und doch, und doch ... Warum hätte Mr. Norrell plötzlich beschließen sollen, ihm zu helfen? Aus Herzensgüte? Wohl kaum. Außerdem hatte die Zauberei von einem dunklen Humor gezeugt, der Norrell überhaupt nicht ähnlich sah. Der Zauberer hatte den Willisen nicht nur einen Schrecken eingejagt, er hatte sie der Lächerlichkeit preisgegeben. Nein, Norrell konnte es nicht gewesen sein. Aber wer dann?
    Der König schien überhaupt nicht erschöpft. Im Gegenteil, er schien geneigt, herumzutanzen und zu hopsen und sich über die Niederlage der Willise zu freuen. Da Strange glaubte, dass weitere Bewegung seiner Majestät nicht schaden würde, öffnete er das Tor zum Park, und sie gingen hindurch.
    Der weiße Nebel hatte der Landschaft alle Einzelheiten und Farben genommen und sie geisterhaft gemacht. Erde und Himmel verschmolzen in diesem unwirklichen grauen Element miteinander.
    Der König hakte sich höchst liebevoll bei Strange unter und schien völlig vergessen zu haben, dass er Zauberer nicht ausstehen konnte. Er begann von den Dingen zu sprechen, die ihn in seinem Wahn beschäftigten. Er war davon überzeugt, dass Großbritannien seit Beginn seiner Krankheit von etlichen Katastrophen heimgesucht worden war, als würde der Verfall seiner geistigen Kräfte von einem entsprechenden Verfall des Königreichs begleitet. Ganz im Vordergrund dieser Wahnvorstellungen rangierte der Glaube, dass London in einer großen Flut untergegangen war. »... und als sie zu mir kamen und mir berichteten, dass sich die kalten grauen Wasser über der Kuppel von St. Paul's Cathedral geschlossen hatten und London jetzt den Fischen und Seeungeheuern gehörte, waren meine Gefühle nicht zu beschreiben. Ich glaube, ich habe drei ganze Wochen lang nur geweint. Die Häuser sind jetzt mit Entenmuscheln bedeckt, und auf den Märkten werden nur noch Austern und Seeigel verkauft. Mr. Fox hat mir erzählt, dass er Sonntag vor drei Wochen in St. Vedast in der Foster Lane ging, wo ein Steinbutt eine ausgezeichnete Predigt hielt. 82 Aber ich habe einen Plan, um mein Königreich zu retten. Ich habe Botschafter zum König der Fische

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