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Jonathan Strange & Mr. Norrell

Jonathan Strange & Mr. Norrell

Titel: Jonathan Strange & Mr. Norrell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Clarke
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schmeckt so süß wie ein Kirschtörtchen!«
    Strange blickte aus dem Fenster auf den eisigen weißen Nebel und die kahlen Bäume. »Genau. Und ich würde es als große Ehre empfinden, wenn Majestät mit mir nach draußen gingen.«
    Der König schien über diesen Vorschlag nachzudenken. Er zog einen Hausschuh aus und versuchte, ihn auf dem Kopf zu balancieren. Als ihm das nicht gelang, zog er den Hausschuh wieder an, nahm eine Quaste, die vom Gürtel seines Morgenmantels hing, und saugte nachdenklich daran. »Aber woher soll ich wissen, dass Sie nicht ein böser Dämon sind, der gekommen ist, mich in Versuchung zu führen?«, fragte er schließlich in einem absolut vernünftigen Tonfall.
    Strange fiel nicht gleich eine Antwort auf diese Frage ein. Während er noch überlegte, fuhr der König fort: »Wenn Sie ein böser Dämon sind, müssen Sie natürlich wissen, dass ich ewig bin und nicht sterben kann. Wenn ich feststelle, dass Sie mein Feind sind, stampfe ich mit dem Fuß auf und schicke Sie auf der Stelle in die Hölle zurück.«
    »Wirklich? Majestät müssen mir dieses Zauberkunststück beibringen. So etwas Nützliches würde auch ich gern können. Aber gestatten Sie mir eine Bemerkung. Da Eurer Majestät ein so mächtiger Zauber zur Verfügung steht, haben Sie nichts zu befürchten, wenn Sie mich nach draußen begleiten. Wir sollten so schnell und unauffällig wie möglich gehen. Die Willise werden bald hier sein. Eure Majestät muss sehr leise sein.«
    Der König schwieg, tippte sich aber an die Nase und blickte durchtrieben drein.
    Stranges nächste Aufgabe bestand darin, einen Weg nach draußen zu finden, ohne die Tollhauswärter auf den Plan zu rufen. Der König war keinerlei Hilfe dabei. Gefragt, wohin die diversen Türen führten, tat er seine Ansicht kund, dass eine Tür nach Amerika führte, eine andere zu ewiger Verdammnis und die dritte möglicherweise zum nächsten Freitag. Strange entschied sich für eine – die gemäß dem König nach Amerika führte – und geleitete Seine Majestät rasch durch mehrere Räume. Überall waren die Decken mit englischen Monarchen bemalt, die in feurigen Triumphwagen über den Himmel jagten und dabei Personen bezwangen, die den Neid, die Sünde und den Aufruhr symbolisierten, und Tempel der Tugend, Paläste ewiger Gerechtigkeit und dergleichen nützliche Einrichtungen mehr erbauten. Aber obwohl sich auf den Zimmerdecken unglaubliche Aktivitäten abspielten, wirkten die Räume darunter verlassen und schäbig und waren voller Staub und Spinnweben. Die Möbel waren mit weißen Tüchern bedeckt, und es schien, als wären die Stühle und Tische darunter vor einer Weile gestorben, und das hier wären ihre Grabsteine.
    Sie gelangten zu einer Art Hintertreppe. Der König, der sich Stranges Bitte, möglichst leise zu sein, sehr zu Herzen genommen hatte, bestand darauf, auf die übertriebene Art eines kleinen Kindes auf Zehenspitzen die Treppe hinunterzugehen. Das dauerte eine Weile.
    »Nun, Majestät«, sagte Strange frohgemut, als sie endlich unten ankamen, »ich glaube, das haben wir geschafft. Ich höre keine Geräusche, die darauf schließen ließen, dass wir verfolgt werden. Der Herzog von Wellington wäre froh, uns als Aufklärungsoffiziere einzusetzen. Ich glaube nicht, dass Hauptmann Somers-Cocks oder sogar Colquhoun Grant feindliches Gelände mit größerer...«
    Er wurde unterbrochen von einem sehr lauten, sehr triumphalen Ton, den der König auf seiner Flöte blies.
    »Verd...!«, sagte Strange und horchte auf Geräusche sich nähernder Tollhauswärter oder, schlimmer noch, der Willise.
    Aber nichts geschah. Irgendwo in der Nähe war ein seltsames, unregelmäßiges Poltern und Klappern zu hören, begleitet von Schreien und Wehklagen, als würde jemand von einem ganzen Schrank voll Besen gleichzeitig geschlagen. Abgesehen davon war es still.
    Eine Tür führte auf eine breite steinerne Terrasse. Von hier aus fiel das Gelände steil ab, und am Fuß des Abhangs befand sich ein Park, aber der weiße Nebel tauchte alle Einzelheiten und Farben der Landschaft in ein gespenstisches Grau. Erde und Himmel verschmolzen in diesem unwirklichen grauen Element miteinander. Rechter Hand war eine lange Doppelreihe winterlich kahler Bäume gerade noch zu erkennen.
    Arm in Arm gingen der König und Strange die Terrasse entlang bis zur Ecke des Schlosses. Dort fand Strange einen Weg, der über den Abhang in den Park führte. Sie gingen diesen Weg hinunter und ein Stück durch den

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