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Jonathan Strange & Mr. Norrell

Jonathan Strange & Mr. Norrell

Titel: Jonathan Strange & Mr. Norrell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Clarke
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–, »verteufelt schwer, und ob Sie so freundlich wären und für sie eine Straße zwischen dem Wald und dem Schlachtfeld machen könnten?«
    »Gewiss«, sagte Strange und wischte sich etwas Schlamm aus dem Gesicht.
    »Ich werde es Seiner Durchlaucht ausrichten.« Er hielt inne und fragte dann versonnen: »Glauben Sie, Seine Durchlaucht möchte ein paar Knöpfe bestellen?«
    »Ich wüsste nicht, was dagegen spricht. Er mag Knöpfe ebenso gern wie die meisten Männer.«
    »Denn dann, wissen Sie, könnten wir ›Knopflieferant Seiner Durchlaucht, des Herzogs von Wellington‹ in all unseren Anzeigen drucken.« Mr. Pink strahlte vor Glück. »Ich mache mich jetzt auf!«
    »Ja, ja. Machen Sie sich auf.« Strange schuf die Straße für die Preußen, später jedoch neigte er immer zu der Vorstellung, er habe von Mr. Pink mit Weibecks Qualitätsknöpfen nur geträumt. 101
    Die Ereignisse schienen sich zu wiederholen. Die französische Kavallerie griff immer wieder an, und Strange flüchtete sich in das Karree der Infanterie. Wieder drängten die tödlichen Reiter wie Wellen gegen die Seiten des Karrees. Wieder formte Strange riesige Hände aus der Erde, um sie hinabzuziehen. Jedes Mal, wenn die Kavallerie sich zurückzog, begann erneut der Kanonenbeschuss; er wandte sich abermals seiner Silberschale zu und formte Männer aus Wasser, die die Flammen löschten und den Sterbenden in dem zerfallenden verzweifelten Hougoumont zu Hilfe eilten. Alles begann immer wieder von vorne; ein Ende der Kämpfe war nicht abzusehen. Er konnte sich nicht vorstellen, dass es jemals anders gewesen war.
    Irgendwann müssen die Musketen- und Kanonenkugeln aufgebraucht sein, dachte er. Und was werden wir dann tun? Mit Säbeln und Bajonetten aufeinander einhacken? Und wenn wir alle sterben, jeder Einzelne von uns, wer wird dann zum Sieger erklärt werden?
    Der Rauch zog sich zurück und enthüllte erstarrte Szenen, die wie lebende Bilder eines gespenstischen Theaters wirkten: Vor dem Bauernhaus namens La Haye Sainte kletterten die Franzosen über einen Berg ihrer eigenen Leichen, um über die Mauer zu steigen und die deutschen Verteidiger zu töten.
    Einmal stand Strange außerhalb des Karrees, als die Franzosen anrückten. Plötzlich befand sich direkt vor ihm ein riesiger französischer Kürassier auf einem ebenso riesigen Pferd. Sein erster Gedanke galt der Frage, ob der Kerl wusste, wer er, Strange, war. (Man hatte ihm erzählt, die gesamte französische Armee würde den englischen Zauberer mit lebhafter, südländischer Leidenschaft hassen.) Sein zweiter Gedanke war, dass er seine Pistolen im Infanteriekarree zurückgelassen hatte.
    Der Kürassier hob den Säbel. Ohne nachzudenken, murmelte Strange Stokeseys Ad Ammam Vocare . So etwas wie eine Biene flog aus der Brust des Kürassiers und ließ sich in Stranges Handfläche nieder. Doch es war keine Biene; es war eine Perle aus schimmerndem blauem Licht. Ein zweites Licht flog aus dem Pferd des Kürassiers. Das Pferd wieherte laut und bäumte sich auf. Der Kürassier schaute verwirrt um sich.
    Strange hob die andere Hand, um Pferd und Reiter zu zerdrücken und auszulöschen. Dann erstarrte er.
    »Kann ein Zauberer einen Menschenleben durch Zauberei töten?«, hatte der Herzog gefragt .
    Und er hatte geantwortet: »Ich nehme an, dass ein Zauberer es könnte, aber ein Gentleman würde so etwas nie tun.«
    Während er noch zögerte, ritt ein britischer Kavallerieoffizier -ein Scots Grey – aus dem Nichts herbei. Mit einem Schlag seines Säbels legte er den Kopf des Kürassiers, vom Kinn durch die Zähne nach oben, offen. Der Mann stürzte zu Boden wie ein Baum. Der Scots Grey preschte weiter.
    Strange konnte sich später nie so recht erinnern, was danach geschah. Er nahm an, dass er benommen herumwanderte. Er wusste nicht, wie lange er dies tat.
    Anfeuerungsrufe brachten ihn wieder zu sich. Er blickte auf und sah Wellington auf Kopenhagen. Er schwenkte den Hut – das Signal zum Angriff der Alliierten. Doch der Rauch wand sich so dicht um den Herzog, dass nur die Soldaten in seiner nächsten Umgebung diesen Moment des Triumphs mit ihm teilen konnten.
    Also flüsterte Strange ein Wort, und in den Rauchwolken tat sich ein kleiner Spalt auf. Ein einzelner Strahl der Abendsonne fiel auf Wellington. Die Gesichter der Soldaten, die an der Hügelkette aufgereiht standen, wandten sich ihm zu. Die Hurrarufe wurden lauter.
    Das, dachte Strange, das ist der richtige Gebrauch englischer Zauberei.
    Er folgte

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