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Jonathan Strange & Mr. Norrell

Jonathan Strange & Mr. Norrell

Titel: Jonathan Strange & Mr. Norrell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Clarke
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Kaffeehaus und wurde durch eine pechschwarze, eiskalte Leere ersetzt. Obwohl er nicht das Geringste erkennen konnte, hatte Stephen das Gefühl, sich auf einem weiten Platz unter freiem Himmel zu befinden. Ein bitterer Wind heulte ihm um die Ohren und dichter Regen schien von überall auf ihn einzuprasseln.
    »... richtig machen«, fuhr der Herr in genau dem gleichen Tonfall wie zuvor fort. »Irgendwo hier gibt es ein hervorragendes Stück Mooreiche. Zumindest glaube ich mich zu erinnern...« Seine Stimme, die nahe Stephens Ohr gewesen war, entfernte sich. »Stephen!«, rief er. »Haben Sie einen Stikker, einen Jager und einen Oplegger dabei?«
    »Wie bitte, Sir? Was, Sir? Nein, Sir. Ich habe nichts davon mitgebracht. Um ehrlich zu sein, war mir nicht bewusst, dass wir fortgehen würden.« Stephen stellte fest, dass er mit den Füßen bis zu den Knöcheln in kaltem Wasser stand. Er versuchte, zur Seite zu treten. Sofort gab der Boden beunruhigend nach, und er sank wadentief ein. Er schrie auf.
    »Hmm?«, erkundigte sich der Herr.
    »Ich ... ich würde mir nie anmaßen, Sie zu stören, Sir. Aber der Boden scheint mich zu verschlucken.«
    »Das ist ein Sumpf«, sagte der Herr hilfsbereit.
    »Es handelt sich auf jeden Fall um eine ziemlich Furcht erregende Substanz.« Stephen bemühte sich, den ruhigen, teilnahmslosen Tonfall des Herrn nachzuahmen. Er wusste nur zu gut, dass der Herr großen Wert darauf legte, in jeder Situation Würde zu bewahren. Falls Stephen erkennen ließ, wie erschrocken er war, würde der Herr, so fürchtete er, sich möglicherweise entsetzt von ihm abwenden und ihn im Sumpf versinken lassen. Er versuchte, sich zu bewegen, konnte unter den Füßen jedoch keinen festen Grund finden. Er fuchtelte wild herum, fiel beinahe hin, und als einziges Ergebnis versanken seine Füße und Beine noch tiefer im Schlamm. Er schrie erneut auf. Der Sumpf gab eine Reihe äußerst unangenehmer Sauggeräusche von sich.
    »Oh Gott! Ich bin so frei, Sir, festzustellen, dass ich allmählich tiefer sinke. Oh!« – er begann zur Seite zu rutschen – »Sie hatten häufig die Freundlichkeit, mich von Ihrer Zuneigung in Kenntnis zu setzen, Sir, und mich wissen zu lassen, wie sehr Sie meine Gegenwart der anderer Leute vorziehen. Dürfte ich Sie vielleicht dazu überreden, mich aus diesem grässlichen Sumpf zu retten, falls es Ihnen keine Unannehmlichkeiten bereitet?«
    Der Herr machte sich nicht die Mühe zu antworten. Stattdessen stellte Stephen fest, dass er von Zauberhand aus dem Sumpf gezogen worden war und wieder auf seinen Füßen stand. Er war vor Angst ziemlich schwach und hätte sich am liebsten hingelegt, wagte es jedoch nicht, sich zu bewegen. Der Boden hier schien einigermaßen fest zu sein, doch er war unangenehm feucht, und Stephen hatte keine Ahnung, wo der Sumpf war.
    »Ich würde Ihnen gern helfen, Sir«, rief er in die Dunkelheit hinein, »aber ich wage es nicht, mich zu bewegen, weil ich Angst habe, wieder in den Sumpf zu fallen.«
    »Ach, das macht nichts«, sagte der Herr. »Ehrlich gesagt, können wir nichts anderes tun als warten. Mooreiche findet man am leichtesten bei Morgengrauen.«
    »Aber das dauert noch neun Stunden!«, rief Stephen entsetzt aus.
    »Nein, wirklich? Also setzen wir uns und warten.«
    »Hier, Sir? Aber das ist ein entsetzlicher Ort. Schwarz und kalt und schrecklich!«
    »Ganz Ihrer Meinung. Ziemlich unangenehmes Plätzchen«, stimmte der Herr ihm mit entnervender Ruhe zu. Dann verstummte er, und Stephen konnte nur vermuten, dass er dieses wahnsinnige Vorhaben, auf das Morgengrauen zu warten, bis zum Ende durchführen würde.
    Der eisige Wind blies über Stephen hinweg; Feuchtigkeit bemächtigte sich seiner Stück für Stück; die Schwärze lastete schwer auf ihm; und die langen Stunden verstrichen qualvoll langsam. Er rechnete nicht damit, einzuschlafen, doch irgendwann in der Nacht erfuhr er ein wenig Trost in dieser schweren Lage. Er verfiel zwar, genau genommen, nicht in Schlaf, aber er verfiel ins Träumen.
    In seinem Traum war er in die Speisekammer gegangen, um für irgendjemanden eine Scheibe köstliche Schweinepastete zu holen. Doch als er die Pastete aufschnitt, stellte er fest, dass darin kaum Schweinefleisch war. Die Füllung bestand zum größten Teil aus der Stadt Birmingham. Unter der Kruste rauchten Essen und Schmieden und stampften Maschinen. Einer der Bewohner, ein bürgerlich aussehender Mann, spazierte zufällig aus dem Schnitt, den Stephen gemacht hatte, und als

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