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Jonathan Strange & Mr. Norrell

Jonathan Strange & Mr. Norrell

Titel: Jonathan Strange & Mr. Norrell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Clarke
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vernünftig, lang genug in England zu bleiben, um ein Porträt von Ihnen anfertigen zu lassen, damit das gemeine Volk Sie noch mehr anbeten kann. Bisweilen können Sie sämtlichen schönen Damen des Landes gnädig gestatten, in einer Reihe anzustehen, um Ihnen die Hand zu küssen und sich in Sie zu verlieben. Wenn Sie dann all Ihre Pflichten bis zur Vollkommenheit ausgeführt haben, können Sie guten Gewissens zu Lady Pole und mir zurückkehren.« Der Herr hielt inne und wurde ungewöhnlich nachdenklich. »Obwokl ich zugeben muss«, sagte er schließlich, »dass ich mich an Lady Pole nickt mehr so übermäßig erfreue wie früher. Es gibt eine andere Dame, die mir viel besser gefällt. Sie ist nicht so schön, aber das wird durch ihren lebhaften Verstand und ihre süßen Unterhaltungskünste mehr als wettgemacht. Und diese andere Dame hat einen großen Vorteil gegenüber Lady Pole. Wie Sie und ich wissen, Stephen, muss Lady Pole, sooft sie auch mein Haus besucht, immer wieder fortgehen, um den Vertrag mit dem Zauberer zu erfüllen. Doch im Fall der andere Dame ist ein so törichter Vertrag nicht vonnöten. Wenn ich sie erst einmal bekommen habe, dann werde ich sie immer an meiner Seite bekalten können.«
    Stephen seufzte. Der Gedanke an eine weitere arme Dame, die in Verlorene Hoffnung auf immer und ewig gefangen gehalten werden sollte, stimmte ihn fürwahr traurig. Doch es wäre unklug, davon auszugehen, dass er irgendetwas dagegen unternehmen könnte. Und möglicherweise ließe es sich zu Lady Poles Vorteil wenden. »Vielleicht, Sir«, sagte er unterwürfig, »würden Sie in diesem Fall in Betracht ziehen, Lady Pole aus ihrem Zauberbann zu entlassen? Ich weiß, dass ihr Mann und ihre Freunde glücklich wären, wenn sie sie wieder ganz bei sich hätten.«
    »Aber ich werde Lady Pole immer als eine äußerst wünschenswerte Ergänzung unserer Lustbarkeiten betrachten. Eine schöne Frau ist immer gute Gesellschaft, und ich zweifle, ob man in England eine ähnliche Schönheit findet. Im Elfenland gibt es nicht viele, die es mit ihr aufnehmen können. Nein, was Sie vorschlagen, ist völlig undenkbar. Aber lassen Sie uns auf unser eigentliches Thema zurückkommen. Wir müssen einen Plan entwerfen, wie wir diese andere Dame ihrem Zuhause entlocken und nach Verlorene Hoffnung bringen können. Sie werden mir mit noch größerem Eifer zur Seite stehen, wenn ich Ihnen erzähle, dass ich es als unbedingt notwendig ansehe, diese Dame aus England zu entfernen, damit wir unserem ehrenwerten Ziel näher kommen, Sie zum König zu machen. Es wird ein schrecklicher Schlag für unsere Feinde sein! Es wird sie in tiefste Verzweiflung stürzen. Es wird Streit und Zwietracht unter ihnen säen. Oh ja! Für uns wird es nur Gutes und für sie nur Schlechtes bedeuten. Wir würden unsere erhabenen Pflichten vernachlässigen, wenn wir uns mit weniger begnügten.«
    Stephen konnte sich keinen Reim darauf machen. Sprach der Herr etwa von einer der Prinzessinnen aus dem Schloss Windsor? Es war allseits bekannt, dass der König verrückt geworden war, als seine Lieblingstochter, die jüngste, starb. Vielleicht nahm der Herr mit dem Haar wie Distelwolle an, ein weiterer Verlust würde ihn umbringen oder einem anderen Mitglied der königlichen Familie den Verstand rauben.
    »Nun, mein lieber Stephen«, sagte der Herr. »Die Frage, die vor uns liegt, lautet: Wie können wir die Dame holen, ohne dass es jemand merkt – vor allem nicht die Zauberer.« Er dachte einen Augenblick lang nach. »Ich hab's! Bringen Sie mir ein Stück Mooreiche.«
    »Sir?«
    »Es sollte ungefähr Ihre Taille haben und mir bis ans Schlüsselbein reichen.«
    »Ich würde es Ihnen gern sofort bringen, Sir. Aber ich weiß nicht, was Mooreiche ist.«
    »Altes Holz, das unzählige Jahrhunderte in Torfsümpfen begraben lag.«
    »Aber, Sir, so etwas in London zu finden ist, fürchte ich, eher unwahrscheinlich. Es gibt hier keine Torfsümpfe.«
    »Wie wahr, wie wahr.« Der Herr ließ sich in seinen Sessel zurückfallen und starrte an die Decke, während er über dieses verzwickte Problem nachgrübelte.
    »Würde Ihnen denn irgendein anderes Holz nützen, Sir?«, fragte Stephen. »In der Gracechurch Street gibt es einen Holzhändler, der vermutlich...«
    »Nein, nein«, sagte der Herr. »Das muss man...«
    In diesem Moment widerfuhr Stephen ein äußerst sonderbarer Sinneseindruck: Er wurde aus seinem Sessel gehoben und stand auf den Füßen. Im selben Augenblick verschwand das

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