Jonathan Strange & Mr. Norrell
drei Einhörner, die ein anderer Elf – einer meiner Cousins – ins Heilige Land mitnahm, um unsere Feinde zu durchbohren. Mehrere begabte Zauberer saßen mit uns am Tisch. Sie ähnelten in keiner Weise den Schreckensgestalten, die heute als Zauberer durchgehen. Sie sahen sehr gut aus und beherrschten ihre Kunst bis zur Vollendung. Die Vögel ließen sich aus den Lüften herab, um ihre Befehle zu hören. Der Regen und die Flüsse waren ihre Dienstboten. Der Nordwind, der Südwind etc., etc. waren nur da, um ihren Geboten Folge zu leisten. Sie breiteten die Hände aus, und ganze Städte stürzten ein – oder erstanden wieder neu! Was für ein Gegensatz zu dem schrecklichen alten Mann, der in seinem staubigen Zimmer sitzt, murmelnd Selbstgespräche führt und in irgendwelchen alten Bänden blättert!« Der Herr aß nachdenklich ein wenig von dem Leguanfrikassee. »Der andere schreibt ein Buch«, sagte er.
»Das habe ich auch gehört, Sir. Haben Sie ihn in letzter Zeit gesehen?«
Der Herr runzelte die Stirn. »Ich? Haben Sie nicht gehört, wie ich gerade sagte, dass ich diese Zauberer als die dümmsten, verabscheuungswürdigsten Männer in ganz England betrachte? Nein, ich habe ihn höchstens zwei- oder dreimal die Woche gesehen, seit er London verlassen hat. Wenn er schreibt, dann schneidet er seine Feder mit einem alten Taschenmesser so, dass sie ziemlich kantig ist. Ich würde mich schämen, ein so schäbiges und hässliches altes Messer zu benutzen, aber diese Zauberer halten alle möglichen Grässlichkeiten aus, bei denen es Sie und mich schütteln würde! Manchmal ist er so versunken in dem, was er schreibt, dass er vergisst, seine Feder überhaupt noch zu spitzen, und dann spritzt die Tinte auf sein Papier und in seinen Kaffee, und es ist ihm vollkommen einerlei.«
Stephen dachte darüber nach, wie merkwürdig es war, dass der Herr, der in einem teilweise zerfallenen, von grusligen Gebeinen vergangener Schlachten umgebenen Haus lebte, so empfindlich gegen die Unordnung in anderer Leute Häuser war. »Und das Thema des Buches, Sir?«, fragte er. »Was halten Sie davon?«
»Es ist höchst sonderbar. Er beschreibt sämtliche Erscheinungsformen meiner Art in diesem Land. Es gibt Berichte darüber, wie wir uns in Großbritanniens Angelegenheiten eingemischt haben, um Großbritannien zu nützen und den Ruhm seiner Bewohner zu mehren. Er äußert ständig die Meinung, nichts wäre so wünschenswert, als dass die Zauberer dieses Zeitalters uns umgehend rufen und um Unterstützung bitten sollten. Können Sie sich darauf einen Reim machen, Stephen? Ich nicht. Als ich den König von England zu mir nach Hause einladen und ihm meine Aufmerksamkeit sckenken wollte, hat ebendieser Zauberer meine Pläne vereitelt. Er schien es damals darauf angelegt zu haben, mich zu beleidigen!«
»Aber ich glaube, Sir«, sagte Stephen vorsichtig, »dass er vielleicht nicht begriff, wer oder was Sie waren?«
»Ach! Wer weiß schon, was diese Engländer begreifen? Ihr Verstand ist so eigenartig. Es ist unmöglich, herauszufinden, was sie denken. Ich fürchte, es wird Ihnen genauso gehen, Stephen, wenn Sie ihr König sein werden!«
»Ich möchte wirklich nirgends König sein, Sir.«
»Wenn Sie erst einmal König sind, werden Sie anders darüber denken. Sie sind jetzt nur ein wenig niedergeschlagen bei dem Gedanken, von Verlorene Hoffnung und von all Ihren Freunden getrennt zu werden. Nehmen Sie es nicht so schwer! Ich wäre auch niedergeschlagen, wenn ich glaubte, Ihre Erhebung in einen höheren Stand würde Ihren Abschied von uns bedeuten. Aber ich sehe keine Notwendigkeit für Sie, dauernd in England zu leben, nur weil Sie der Monarch des Landes sind. Eine Woche Aufentkalt in einem solch trostlosen Land ist das Längste, was man von einer Person mit Geschmack erwarten kann. Eine Woche ist mehr als genug!«
»Aber was ist mit meinen Pflichten, Sir? Wenn ich es recht verstehe, haben Könige eine Menge Dinge zu erledigen, und so ungern ich König sein möchte, so wünsche ich nicht...«
»Mein lieber Stephen«, rief der Herr in einer Mischung aus Zuneigung und Spott. »Dafür gibt es Seneschallen! Die können sämtliche Geschäfte der Regierung ausführen, während Sie mit mir in Verlorene Hoffnung weilen, wo wir uns wie gewohnt vergnügen. Sie werden gelegentlich hierher zurückkehren, um Ihre Steuern und die Abgaben der eroberten Nationen einzunehmen und auf die Bank zu bringen. Nun, ich nehme an, es wäre hin und wieder
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