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Jonathan Strange & Mr. Norrell

Jonathan Strange & Mr. Norrell

Titel: Jonathan Strange & Mr. Norrell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Clarke
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dachte Mr. Norrell, denn von Childermass wusste er, dass Mr. Drawlight kein Geld hatte. Laut Childermass lebte Drawlight von seiner Schläue und seinen Schulden; keiner seiner großartigen Freunde wurde je zu ihm nach Hause eingeladen, denn sein Zuhause war ein möbliertes Zimmer über einer Schusterwerkstatt in der Little Ryder Street.
    Wie jedes neue Haus stellte sich auch das Haus am Hanover Square – das anfänglich perfekt geschienen hatte – als aller möglichen Verbesserungen bedürftig heraus. Selbstverständlich wollte Mr. Norrell alles so schnell wie möglich erledigt sehen, aber als er Mr. Drawlight anflehte, ihm beizupflichten, dass die Londoner Handwerker extrem langsam wären, ergriff Drawlight die Gelegenheit, um sich Mr. Norrells Pläne für Farben, Tapeten, Teppiche, Möbel und Zierrat schildern zu lassen, und hatte an allem etwas auszusetzen. Sie stritten sich eine Viertelstunde, dann ließ Mr. Drawlight Mr. Norrells Kutsche anspannen und wies Davey an, ihn und Mr. Norrell geradewegs zu Mr. Ackermanns Geschäft in der Strand zu fahren. Dort zeigte Mr. Drawlight Mr. Norrell ein Buch mit einem Bild von Mr. Repton. Auf dem Bild war ein ungemütlicher altmodischer Salon zu sehen, in dem eine alte Person aus der Zeit von Königin Elizabeth mit steinernem Gesicht aus einem Gemälde an der Wand starrte und sich unbequeme Stühle einander gegenüberstanden wie Menschen, die plötzlich feststellten, dass sie sich nichts zu sagen hatten. Aber auf der nächsten Seite – was für eine Verwandlung – hatten die vornehmen Künste der Schreinerei, des Tapezierens und der Polsterei gewirkt. Es war ein Bild desselben Salons, neu möbliert und bis zur Unkenntlichkeit verschönert. Ungefähr ein Dutzend modisch gekleideter Damen und Herren waren in das schicke neue Haus gelockt worden. Sie lehnten sich, geistig durch die schöne Umgebung erfrischt, in eleganten Posen auf den Stühlen zurück oder schlenderten durch den mit Weinlaub ausgeschlagenen Wintergarten, der mysteriöserweise hinter französischen Fenstern aufgetaucht war. Die Moral der Geschichte sei, so erklärte Mr. Drawlight, dass Mr. Norrell sehr viele französische Fenster in sein Haus einbauen müsse, wenn er der modernen Magie Freunde gewinnen wollte.
    Unter Mr. Drawlights Anleitung lernte Mr. Norrell, Gemäldegalerierot dem achtbaren matten Grün seiner Jugend vorzuziehen. Im Interesse der modernen Magie wurden die ehrlichen Materialien in Mr. Norrells Haus mit Farbe und Firnis herausgeputzt, so dass sie Dinge darstellten, die sie nicht waren – wie Schauspieler auf der Bühne. Stuck wurde so angemalt, dass er aussah wie Holz, und Holz wurde so behandelt, dass es aussah wie anderes Holz. Als es an der Zeit war, die Ausstattung des Speisezimmers auszuwählen, war Mr. Norrells Vertrauen in Mr. Drawlights Geschmack so blind, dass er Drawlight damit beauftragte, das Service ohne weitere Konsultationen selbst auszusuchen.
    »Sie werden es nicht bereuen, mein lieber Sir«, rief Drawlight.
    »Vor drei Wochen erst habe ich das Service der Herzogin von B. ausgewählt, und sie erklärte, dass sie noch nie zuvor in ihrem Leben etwas auch nur halb so Entzückendes gesehen hätte.«
    An einem schönen Vormittag im Mai saß Mr. Norrell im Salon einer Mrs. Littleworth in der Wimpole Street. Unter den dort Versammelten befanden sich Mr. Drawlight und Mr. Lascelles. Mr. Lascelles genoss Mr. Norrells Gesellschaft, ja, er ließ sich in dieser Hinsicht nur von Mr. Drawlight übertreffen, aber seine Gründe, um Mr. Norrells Aufmerksamkeit zu werben, waren ganz anderer Natur. Mr. Lascelles war ein schlauer, zynischer Mann, der es für absolut lächerlich hielt, dass sich ein gelehrter alter Herr einredete, er könne zaubern. Infolgedessen war es Mr. Lascelles ein großes Vergnügen, wann immer sich die Gelegenheit bot, Mr. Norrell Fragen über Zauberei zu stellen, damit er sich über die Antworten amüsieren konnte.
    »Und wie gefällt Ihnen London, Sir?«, fragte er.
    »Überhaupt nicht«, sagte Mr. Norrell.
    »Das tut mir Leid«, sagte Mr. Lascelles. »Haben Sie Zaubererkollegen gefunden, mit denen Sie sich austauschen können?«
    Mr. Norrell runzelte die Stirn und sagte, er glaube nicht, dass es in London Zauberer gebe, und wenn doch, habe er sie mit seinen Nachforschungen nicht ausfindig machen können.
    »Aber, Sir!«, rief Mr. Drawlight. »Da täuschen Sie sich. Sie wurden auf schändliche Weise falsch informiert. In London gibt es Zauberer – mindestens

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