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Jonathan Strange & Mr. Norrell

Jonathan Strange & Mr. Norrell

Titel: Jonathan Strange & Mr. Norrell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Clarke
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vierzig. Lascelles, sind Sie nicht auch der Ansicht, dass es in London Hunderte von Zauberern gibt? Man sieht sie praktisch an jeder Straßenecke. Mr. Lascelles und ich werden Sie gern mit ihnen bekannt machen. Sie haben so etwas wie einen König, den sie Vinculus nennen – eine große zerlumpte Vogelscheuche von einem Mann, der in einer kleinen schmutzigen Bude vor St. Christopher Le Stocks hinter einem schmutzigen gelben Vorhang sitzt, und wenn man ihm zwei Pennys gibt, sagt er einem die Zukunft voraus.«
    »Vinculus sagt nur Katastrophen voraus«, sagte Mr. Lascelles und lachte. »Bislang hat er mir versprochen, dass ich ertrinken werde, dass ich verrückt werde, dass mein Besitz einem Feuer anheim fallen wird und dass mir eine Tochter geboren wird, die mir mit ihrer Widerspenstigkeit im Alter das Leben zur Hölle machen wird.«
    »Ich bringe Sie gern zu ihm, Sir«, sagte Mr. Drawlight zu Mr. Norrell. »Ich mag Vinculus.«
    »Aber passen Sie auf, Sir«, riet Mrs. Littleworth. »Manche dieser Männer versetzen einen in Angst und Schrecken. Die Cruickshanks haben sich einen Zauberer ins Haus geholt – einen sehr schmutzigen Kerl –, damit er ihren Freunden ein paar Kunststücke vorführte, aber er schien keine zu können, und deshalb wollten sie nicht zahlen. In seiner Wut hat er geschworen, das Baby in eine Kohlenschütte zu verwandeln. Und dann waren sie außer sich, weil das Baby nicht zu finden war. Allerdings fanden sie auch keine neuen Kohlenschütten, sondern nur die alten. Sie suchten das Haus von oben bis unten ab, und Mrs. Cruickshank war halb tot vor Angst, und man schickte nach dem Arzt. Aber dann stand das Kindermädchen mit dem Baby in der Tür, und es stellte sich heraus, dass sie mit ihm bei ihrer Mutter in der James Street gewesen war.«
    Trotz dieser Verlockungen lehnte Mr. Norrell Mr. Drawlights freundliches Angebot ab, ihn zu Vinculus' gelber Bude zu begleiten.
    »Und was ist Ihre Meinung vom Rabenkönig, Mr. Norrell?«, fragte Mrs. Littleworth interessiert.
    »Ich habe keine. Er ist jemand, an den ich nie denke.«
    »Wirklich?«, sagte Mr. Lascelles. »Bitte entschuldigen Sie, dass ich das sage, aber das ist eine sehr ungewöhnliche Feststellung. Ich habe noch nie einen Zauberer getroffen, der nicht erklärt hätte, der Schwarze König sei der größte von allen gewesen – der Zauberer par excellence . Ein Mann, der, wenn er es gewollt hätte, Merlin aus dem Baum hätte befreien, ihn auf den Kopf stellen und wieder hätte zurückstecken können.« 13
    Mr. Norrell schwieg.
    »Aber sicher hat kein anderer Aureatischer Zauberer Vergleichbares geschafft«, fuhr Mr. Lascelles fort. »Er hatte Königreiche in allen Welten 14 . Scharen von menschlichen Rittern und Elfenrittern, die seine Befehle ausführten. Zauberwälder, die wandelten. Ganz zu schweigen von seiner Langlebigkeit – er herrschte dreihundert Jahre –, und am Ende, so heißt es, war er zumindest dem Äußeren nach immer noch ein junger Mann.«
    Mr. Norrell schwieg.
    »Aber vielleicht glauben Sie ja, dass die Geschichte lügt. Ich habe schon oft die Vermutung gehört, dass der Rabenkönig nie existiert habe, dass er nicht ein Zauberer war, sondern viele aufeinander folgende, die alle mehr oder weniger gleich aussahen. Ist das vielleicht Ihre Meinung?«
    Mr. Norrell blickte drein, als ob er lieber weiterhin geschwiegen hätte, aber die direkte Frage von Mr. Lascelles verlangte nach einer Antwort. »Nein«, sagte er schließlich. »Ich bin sicher, dass es ihn gegeben hat. Aber seinen Einfluss auf die englische Zauberei kann ich nur als bedauernswert bezeichnen. Seine Art zu zaubern war besonders schändlich, und nichts sähe ich lieber, als dass er so vollständig vergessen würde, wie er es verdient.«
    »Und was ist mit Ihren Elfendienern, Sir?«, fragte Mr. Lascelles. »Sind sie nur für Sie sichtbar? Oder können auch andere Menschen sie wahrnehmen?«
    Mr. Norrell schniefte und sagte, er habe keine.
    »Wie, keine?«, rief eine Dame in einem nelkenrosa Gewand höchst erstaunt.
    »Sie sind sehr weise, Mr. Norrell«, sagte Mr. Lascelles. »Tubbs gegen Starhouse muss eine Warnung für alle Zauberer sein.« 15
    »Mr. Tubbs war kein Zauberer«, sagte Mr. Norrell. »Und er hat, soweit ich weiß, auch nie behauptet, einer zu sein. Aber wäre er auch der größte Zauberer der Christenheit gewesen, so hätte er trotzdem schlecht daran getan, sich die Gesellschaft von Elfen zu wünschen. Eine bösartigere und England feindlicher gesinnte

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