Jonathan Strange & Mr. Norrell
Mann zu sehen.«
»Aha«, sagte Mr. Norrell mit einiger Befriedigung.
Mr. Drawlights wiederholte Beteuerungen, dass die Damen und Herren auf Mrs. Godesdones Party ganz bezaubert von Mr. Norrell gewesen seien, trugen einiges dazu bei, Mr. Norrells Vorurteile gegenüber seinem Gast zu mindern. Laut Mr. Drawlight war Mr. Norrells Anwesenheit wie Würze: Die kleinste Prise machte aus einem Gericht einen Genuss. Mr. Drawlights Komplimente waren so schmeichelhaft, dass Mr. Norrell zunehmend gesprächiger wurde.
»Und welchem glücklichen Umstand, Sir«, fragte Mr. Drawlight, »verdanken wir die Gunst Ihrer Gesellschaft? Was hat Sie nach London geführt?«
»Ich bin nach London gekommen, um mich für die moderne Magie einzusetzen. Meine Absicht ist es, die Zauberei nach England zurückzubringen«, erwiderte Mr. Norrell mit großem Ernst. »Ich haben den bedeutenden Männern unserer Zeit eine Menge Dinge mitzuteilen. Ich kann ihnen in vielerlei Hinsicht zu Diensten sein.«
Mr. Drawlight murmelte höflich, dass er davon überzeugt sei.
»Ich möchte Ihnen nicht verschweigen, Sir«, fuhr Mr. Norrell fort, »dass ich von Herzen wünsche, das Schicksal hätte einem anderen Zauberer diese Pflicht auferlegt.« Mr. Norrell seufzte und blickte so vornehm drein, wie es ihm sein kleines, verkniffenes Gesicht erlaubte. Es ist höchst ungewöhnlich, dass ein Mann wie Mr. Norrell – ein Mann, der die Karriere so vieler seiner Zaubererkollegen zerstört hatte – sich selbst davon überzeugen konnte, es wäre ihm lieber, der Ruhm seines Berufsstands würde einem von ihnen zuteil, aber zweifellos glaubte Mr. Norrell, was er sagte.
Mr. Drawlight murmelte Verständnisvolles. Er sei sicher, dass Mr. Norrell zu bescheiden sei. Er nehme nicht einen Augenblick lang an, dass jemand anders besser als Mr. Norrell geeignet sei, die Zauberei nach England zurückzubringen.
»Aber ich sehe mich widrigen Umständen gegenüber«, sagte Mr. Norrell.
Mr. Drawlight war überrascht, das zu hören.
»Ich kenne mich in der Welt nicht aus, Sir. Ich weiß, dass ich mich nicht auskenne. Wie jeder Gelehrte liebe ich die Stille und die Einsamkeit. Herumzusitzen und Stunde um Stunde in einem Raum voller Fremder müßig zu plaudern, ist für mich die schlimmste Art der Folter, aber ich nehme an, dass ich genau das ausgiebig werde tun müssen. Das versichert mir Childermass.« Mr. Norrell sah Mr. Drawlight wehmütig an, als hoffte er, Drawlight würde ihm widersprechen.
»Ah!« Mr. Drawlight dachte einen Augenblick lang nach. »Und genau deswegen bin ich so froh, dass Sie und ich Freunde geworden sind. Ich will nicht so tun, als wäre ich ein Gelehrter, Sir. Ich weiß so gut wie nichts über Zauberei oder die Geschichte der Zauberei, und ich vermute, dass Ihnen meine Gesellschaft hin und wieder zur Last fallen wird, aber Sie müssen kleine Irritationen dieser Art gegen den großen Gewinn abwägen, den ich Ihnen bringen kann, indem ich Sie herumführe und Leuten vorstelle.
Oh, Mr. Norrell, Sir. Sie haben ja gar keine Ahnung, wie nützlich ich Ihnen sein kann.«
Mr. Norrell weigerte sich, Mr. Drawlight auf der Stelle zu versprechen, ihn zu all den Orten zu begleiten und all die Leute kennen zu lernen, deren Freundschaft laut Mr. Drawlight Mr. Norrells Existenz eine neue Süße verleihen würden, aber er erklärte sich einverstanden, mit Mr. Drawlight am Abend zu einem Essen bei Lady Rawtenstall am Bedford Square zu gehen.
Mr. Norrell überstand das Abendessen weniger erschöpft, als er gedacht hatte, und stimmte deshalb zu, am nächsten Tag mit Mr. Drawlight Mr. Plumtree aufzusuchen. Unter der Führung von Mr. Drawlight unterzog sich Mr. Norrell gesellschaftlichen Verpflichtungen mit größerem Selbstvertrauen als zuvor. Und seine Verpflichtungen waren zahlreich; er war von elf Uhr morgens bis nach Mitternacht unterwegs. Er stattete morgendliche Besuche ab; er aß in allen Speisezimmern der Stadt; er ging zu abendlichen Partys, Bällen und Konzertaufführungen italienischer Musik; er lernte Barone, Vicomtes, Vicomtessen und ehrenwerte Dies und Jenes kennen; er wurde gesehen, wie er die Bond Street entlangschlenderte, Arm in Arm mit Mr. Drawlight; er wurde dabei beobachtet, wie er in einem offenen Wagen im Hyde Park frische Luft schnappte, mit Mr. Drawlight und Mr. Drawlights liebem Freund Mr. Lascelles.
An Tagen, an denen Mr. Norrell nicht ausging, aß Mr. Drawlight in Mr. Norrells Haus am Hanover Square – was Mr. Drawlight nur allzu gern tat, so
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