Jonathan Strange & Mr. Norrell
versichere Ihnen, dass alle Minister von dem außergewöhnlichen Mr. Norrell gehört haben.«
»Aber wenn das der Fall ist«, sagte Mr. Norrell, »warum hat mir dann Seine Hoheit noch keine Botschaft zukommen lassen? Nein, ich vermute, dass sie nichts von meiner Existenz wissen – und deswegen wäre ich Ihnen dankbar, Mr. Drawlight, wenn Sie mir Ihre Verbindungen zur Regierung nennen könnten, damit ich mich an diese Personen wenden kann.«
»Die Regierung, Sir?«, antwortete Mr. Drawlight.
»Ich bin gekommen, um mich nützlich zu machen«, sagte Mr. Norrell klagend. »Ich hatte gehofft, mittlerweile eine herausragende Rolle im Kampf gegen die Franzosen zu spielen.«
»Wenn Sie sich vernachlässigt fühlen, dann tut mir das von Herzen Leid«, rief Mr. Drawlight. »Aber das ist nicht nötig, bestimmt nicht. Es gibt Damen und Herren in der Stadt, die höchst erfreut wären, wenn Sie uns eines Abends nach dem Essen ein paar kleine Kunststücke oder Illusionen vorführen würden. Sie müssen keine Angst davor haben, uns zu überwältigen, unsere Nerven sind ziemlich stark.«
Mr. Norrell schwieg.
»Nun, Sir«, sagte Mr. Drawlight mit einem glatten Lächeln seiner weißen Zähne und einem versöhnlichen Blick seiner dunklen feuchten Augen. »Wir wollen deswegen nicht streiten. Ich wünschte nur, ich wäre in der Lage, Ihnen entgegenzukommen, aber das steht nicht in meiner Macht. Die Regierung hat ihre Sphäre. Und ich die meine.«
Mr. Drawlight kannte mehrere Herren in Regierungsstellen, die Mr. Drawlights Freund gern kennen gelernt und sich angehört hätten, was dieser Freund zu sagen hatte, wenn Mr. Drawlight ihnen im Gegenzug verspräche, nie jemandem die ein, zwei wunderlichen Dinge zu erzählen, die er über sie wusste. Aber in Wahrheit konnte Mr. Drawlight keinen Vorteil für sich selbst darin erkennen, wenn er Mr. Norrell diesen Herren vorstellte; er behielt ihn lieber in den Salons und Speisesälen von London, wo er ihn im Laufe der Zeit hoffentlich überreden könnte, die kleinen Kunststücke oder was immer vorzuführen, die Mr. Drawlights Bekannte unbedingt sehen wollten.
Mr. Norrell begann, den Herren der Regierung dringliche Briefe zu schreiben, die er Mr. Drawlight zeigte, bevor er sie Childermass überstellen ließ, aber die Herren der Regierung antworteten nicht. Das hatte Mr. Drawlight Mr. Norrell vorausgesagt. Die Herren der Regierung sind im Allgemeinen sehr beschäftigt.
Ungefähr eine Woche später war Mr. Drawlight in ein Haus am Soho Square eingeladen, um eine berühmte italienische Sopranistin zu hören, die gerade aus Rom eingetroffen war. Selbstverständlich war auch Mr. Norrell eingeladen. Aber als Drawlight dort ankam, konnte er den Zauberer nirgendwo entdecken. Lascelles lehnte am Kaminsims und unterhielt sich mit ein paar Herren. Drawlight ging zu ihm und fragte, ob er wisse, wo Mr. Norrell wäre.
»Ach«, sagte Mr. Lascelles, »er stattet Sir Walter Pole einen Besuch ab. Mr. Norrell verfügt über wichtige Informationen, die sofort dem Herzog von Portland übermittelt werden müssen. Und Sir Walter Pole ist der Mann, den Mr. Norrell als Überbringer der Botschaft auserwählt hat.«
»Portland?«, rief ein Herr. »Was? Sind die Minister schon so verzweifelt? Konsultieren sie jetzt schon Zauberer?«
»Da haben Sie eine falsche Vorstellung«, sagte Mr. Lascelles lächelnd. »Es war einzig und allein Mr. Norrells Idee. Er will seine Fähigkeiten in den Dienst der Regierung stellen. Wie es scheint, gedenkt er, die Franzosen durch Zauberei zu besiegen. Aber ich halte es für höchst unwahrscheinlich, dass er die Minister dazu bringen wird, ihm zuzuhören. Auf dem Kontinent haben sie die Franzosen im Nacken, im Parlament geht ihnen die Opposition an die Kehle. Ich bezweifle, dass irgendwo geplagtere Männer zu finden sind oder Männer, die noch weniger Zeit für die Exzentrizitäten eines Mannes aus Yorkshire erübrigen können.«
Wie der Held in einem Märchen hatte Mr. Norrell festgestellt, dass es die ganze Zeit in seiner eigenen Macht gestanden hatte, zu tun, was er tun wollte. Auch ein Zauberer hat Angehörige, und zufälligerweise hatte er einen entfernten Verwandten (mütterlicherseits), einen Mann, der sich bei Mr. Norrell höchst unbeliebt gemacht hatte, indem er ihm einen Brief schrieb. Damit sich das nicht wiederholte, hatte Mr. Norrell dem Mann achthundert Pfund geschenkt (was der Mann gewollt hatte), aber leider ließ sich der Verwandte von Mr. Norrells Mutter, der
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