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Jonathan Strange & Mr. Norrell

Jonathan Strange & Mr. Norrell

Titel: Jonathan Strange & Mr. Norrell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Clarke
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einigen«, rief der Herr mit dem Haar wie Distelwolle. »Meine Wünsche sind überaus bescheiden. Zum Glück bin ich völlig frei von Habgier und niedrigem Ehrgeiz. Ja, Sie werden sehen, dass mein Vorschlag Ihrem Vorteil noch mehr als meinem dient – so selbstlos ist mein Charakter. Ich wünsche lediglich, Ihnen in all Ihren Vorhaben helfen, Sie in allen Angelegenheiten beraten und in Ihren Studien anleiten zu dürfen. Oh, und Sie müssen dafür Sorge tragen, dass die ganze Welt erfährt, dass Ihre größten Erfolge zu weiten Teilen mir geschuldet sind!«
    Mr. Norrell sah ein wenig unwohl aus. Er hustete und murmelte etwas von der Großzügigkeit des Herrn. »Wäre ich die Sorte Zauberer, die ihre Geschäfte gern einer anderen Person anvertraut, dann wäre das Angebot überaus willkommen. Doch leider... fürchte ich ... kurz: Ich habe nicht die Absicht, dich – oder auch irgendein anderes Mitglied deiner Art – noch einmal zu beschäftigen.«
    Langes Schweigen.
    »Nun, das ist in der Tat undankbar«, erklärte der Herr kalt. »Ich habe mich der Mühe unterzogen, Ihnen diesen Besuch abzustatten. Ich war so gütig, mir Ihre langweiligen Ausführungen anzuhören. Ich habe geduldig Ihre Unwissenheit um die richtigen Formen und die Etikette der Zauberei ertragen. Und jetzt schlagen Sie mein Angebot aus, Ihnen zu helfen. Andere Zauberer, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf, haben alle möglichen Qualen erlitten, um meine Hilfe zu erhalten. Vielleicht tue ich besser daran, mit dem anderen zu sprechen. Vielleicht versteht er es besser als Sie, mit Personen von Rang und Namen umzugehen?« Der Herr sah sich im Zimmer um. »Ich sehe ihn nicht. Wo ist er?«
    »Wo ist wer?«
    »Der andere.«
    »Der andere was?«
    »Zauberer!«
    »Zaub...« Mr. Norrell formte das Wort, doch es erstarb auf seinen Lippen. »Nein, nein! Es gibt keinen anderen Zauberer! Ich bin der einzige. Ich versichere dir, ich bin der einzige. Wie kommst du darauf, dass ...?«
    »Natürlich gibt es noch einen anderen Zauberer«, stellte der Herr fest, als sei es vollkommen lächerlich, eine so offensichtliche Tatsache zu leugnen. »Er ist Ihr bester Freund auf Erden.«
    »Ich habe keine Freunde«, sagte Mr. Norrell.
    Er war völlig verwirrt. Wen mochte der Elf meinen? Childermass? Lascelles? Drawlight?
    »Er hat rote Haare und eine lange Nase. Und er ist ziemlich eingebildet – wie alle Engländer«, erklärte der Herr mit dem Haar wie Distelwolle.
    Das half ihm nicht. Childermass, Lascelles und Drawlight waren auf ihre Art alle eingebildet, Childermass und Lascelles hatten beide eine lange Nase, aber keiner von ihnen hatte rotes Haar.
    Mr. Norrell konnte sich keinen Reim darauf machen und kam mit einem tiefen Seufzer auf das aktuelle Thema zurück. »Du wirst mir nicht helfen?«, sagte er. »Du wirst die junge Frau nicht von den Toten zurückholen?«
    »Das habe ich nicht gesagt«, meinte der Herr mit dem Haar wie Distelwolle in einem Ton, der deutlich machte, dass er sich fragte, wie Mr. Norrell darauf komme. »Ich muss gestehen«, sprach er weiter, »dass ich in den vergangenen Jahrhunderten begonnen habe, mich in der Gesellschaft meiner Familie und meiner Dienstboten irgendwie zu langweilen. Meine Schwestern und Cousinen besitzen viele Tugenden, um derentwillen man sie empfehlen kann, doch sie sind nicht fehlerfrei. Sie sind, so Leid es mir tut, ein wenig prahlerisch, eingebildet und stolz. Diese junge Frau« – er deutete auf Miss Wintertowne –, »verfügte sie, wenn ich so sagen darf, über die üblichen Talente und Tugenden? War sie anmutig? Witzig? Lebhaft? Kapriziös? Tanzte wie das Sonnenlicht? Ritt wie der Wind? Sang wie ein Engel? Stickte wie Penelope? Sprach Französisch, Italienisch, Deutsch, Bretonisch, Walisisch und viele andere Sprachen?«
    Mr. Norrell sagte, davon gehe er aus. Er glaubte, dass junge Damen sich heutzutage mit solchen Dingen beschäftigten.
    »Dann wird sie eine charmante Begleitung für mich sein«, erklärte der Herr mit dem Haar wie Distelwolle und klatschte in die Hände.
    Mr. Norrell befeuchtete sich nervös die Lippen. »Was genau willst du damit sagen?«
    »Versprechen Sie mir die Hälfte des Lebens der Dame, und das Geschäft ist perfekt.«
    »Die Hälfte ihres Lebens?«, wiederholte Mr. Norrell.
    »Die Hälfte«, sagte der Herr mit dem Haar wie Distelwolle.
    »Aber was werden ihre Freunde sagen, wenn sie erfahren, dass ich die Hälfte ihres Lebens verkauft habe?«, fragte Mr. Norrell.
    »Oh! Sie werden nie

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