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Jonathan Strange & Mr. Norrell

Jonathan Strange & Mr. Norrell

Titel: Jonathan Strange & Mr. Norrell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Clarke
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unversehrten Fässer Löcher zu schlagen. Die Fuhrwerke und die Menschenmenge hatten Cheapside bald so gründlich verstopft, dass sich in allen angrenzenden Straßen lange Schlangen von Kutschen bildeten: Poultry, Threadneedle Street, Bartholomew Lane in der einen und Aldersgate, Newgate und Paternoster Row in der anderen Richtung. Man konnte sich kaum vorstellen, wie sich dieses Knäuel aus Kutschen, Pferden und Menschen je wieder auflösen sollte.
    Der eine der beiden Fuhrmänner sah gut aus, während der andere dick war, und nachdem sie ihren Streit ausgetragen hatten, wurden sie zu einer Art Bacchus und Silenus des Sherry-Fests. Sie beschlossen, sich und ihr Gefolge zu unterhalten: Sie öffneten sämtliche Wagentüren, damit man sehen konnte, was die reichen Leute darin trieben. Kutscher und Diener versuchten, sie an dieser Unverschämtheit zu hindern, doch die Menge war zu groß, um aufgehalten zu werden, und zu betrunken, um sich an den Peitschenhieben zu stören, die die Verdrießlicheren unter den Kutschern austeilten. In einem dieser Wagen entdeckte der dicke Fuhrmann Mr. Norrell und rief aus: »Was! Der alte Norrell!« Die beiden Kutscher kletterten in den Wagen, um Mr. Norrell die Hand zu schütteln, ihn mit Sherrydunst voll zu nebeln und ihm zu versichern, dass sie sich beeilen würden, alles aus dem Weg zu räumen, damit er – der Held der Französischen Blockade – weiterfahren könne. Dieses Versprechen hielten sie, und angesehene Personen fanden ihre Wagen bald ohne Pferde vor; ihre Kutschen waren in Hinterhöfe von Gerbereien und an andere ekelhafte Orte geschoben oder in schmutzige Gassen gezogen worden, in denen sie stecken blieben und verkratzt wurden; und nachdem die Fuhrmänner und ihre Freunde den Weg für Mr. Norrell frei gemacht hatten, eskortierten sie ihn und seine Kutsche im Triumph und unter Jubelgeschrei bis zum Hanover Square, warfen ihre Hüte in die Luft und erfanden Lieder auf ihn.
    Jeder, so schien es, war hocherfreut über das, was Mr. Norrell getan hatte. Ein großer Teil der französischen Kriegsmarine war an der Nase herumgeführt worden und elf Tage lang in ihren Häfen geblieben, und während dieser Zeit waren die Briten, wie es ihnen gerade gefiel, in der Bucht von Biscaya, im englischen Kanal und in der Nordsee herumgesegelt und hatten zahlreiche Erfolge errungen. Spione waren nach Frankreich gebracht worden, andere Spione, die Nachrichten über Bonapartes Treiben mitbrachten, waren nach England zurückgeholt worden. Britische Handelsschiffe hatten ungehindert ihre Fracht mit Kaffee, Baumwolle und Gewürzen in holländischen und baltischen Häfen gelöscht.
    Napoleon Bonaparte, so wurde berichtet, durchkämmte ganz Frankreich auf der Suche nach einem eigenen Zauberer – jedoch ohne Erfolg. In London stellten die Minister überrascht fest, dass sie dieses eine Mal etwas getan hatten, was die Nation guthieß.
    Mr. Norrell wurde in die Admiralität eingeladen, wo er im Sitzungssaal Madeirawein trank. Er saß in einem Sessel nahe am Feuer und plauderte ausgiebig und gemütlich mit dem Ersten Lord der Admiralität, Lord Mulgrave, und mit dem Ersten Sekretär der Admiralität, Mr. Horrocks. Über dem Kamin hingen aus Holz geschnitzte nautische Instrumente und Blumengirlanden, die Mr. Norrell bewunderte. Er beschrieb die schönen Schnitzereien in der Bibliothek von Hurtfew Abbey. »Und dennoch«, sagte Mr. Norrell, »beneide ich Sie, werter Lord. Eine so elegante Darstellung der Instrumente Ihres Berufsstands! Ich wünschte, ich könnte auch so etwas machen. Nichts sieht eindrucksvoller aus. Nichts, glaube ich, erfüllt einen Menschen mit mehr Arbeitseifer als der Anblick seiner ordentlich aufgereihten Instrumente – oder ihr Abbild aus guter englischer Eiche, wie es hier vor uns steht. Aber ein Zauberer braucht eigentlich nur wenige Werkzeuge. Ich werde Ihnen ein kleines Geheimnis verraten, werter Lord: Je mehr Dinge ein Zauberer mit sich herumschleppt – farbiges Pulver, ausgestopfte Katzen, Zauberhüte und so weiter –, als ein umso größerer Betrüger wird er sich herausstellen.«
    Und welches waren die wenigen Werkzeuge, erkundigte sich Mr. Horrocks höflich, die ein Zauberer wirklich benötigte?
    »Eigentlich keine«, sagte Mr. Norrell. »Keine außer einer Silberschale, in der er Visionen sehen kann.«
    »Oh!«, rief Mr. Horrocks aus. »Ich glaube, ich würde fast alles geben, um diesen Zauber zu sehen – Sie nicht, werter Lord? Oh, Mr. Norrell, könnten wir Sie

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