Jones, Diana Wynne
zurück. Er klang beinahe, als habe er Respekt vor mir.
Wenn Kankredin die Welle gleich noch einmal ausgesandt hätte, so wären wir vernichtet worden. Tanamil musste noch hinunterklettern, um die Netze zu flicken, und ich war mit dem Weben erst bis zu meinem Gespräch mit Kars Adon im Lager gekommen. Dann musste ich die Arbeit unterbrechen, weil es Nacht wurde. Trotzdem spürte ich, dass Kankredin vorsichtig geworden war – nicht verunsichert, denn er glaubt noch immer, dass er gewinnt, aber vorsichtig. Etwas hatte sich ihm entgegengestellt, als er es am wenigsten erwartete. Ich glaube, die Netze verhinderten, dass er sah, wer sich ihm widersetzte. Entchen sagt, dazu seien sie auch bestimmt. Deshalb beschloss er zu warten, bis der Tag uns kümmerliche lebendige Geschöpfe in unserer Torheit offenbarte. Kankredin vermag zwar im Dunkeln zu arbeiten, doch er weiß zugleich, dass auch wir in der Nacht groß und geheimnisvoll erscheinen. (Seht nur, wie sehr ich schon als Hexe denke!) Deshalb wartete die Welle bis zum Tagesanbruch im See, und unser Heer auf den Simsen schlief in Schichten.
Robin schläft kaum. Sie leitet die Mädchen, Frauen und kleinen Kinder. Manche übermittelten Nachrichten, einige tragen die Verwundeten fort, und andere kümmern sich um sie. Wieder andere stehen als letztes Aufgebot des Heeres unter Waffen.
»Nein«, soll ich von Jay ausrichten, »nicht als letztes Aufgebot. Das vorletzte. Dein letzter Verteidiger bin ich.«
Es freut mich ziemlich, dass nicht die Heidenmädchen die besseren Soldaten abgeben, obwohl man das eigentlich erwarten sollte. Die Heidenmänner legen eine Zähigkeit und einen Mut an den Tag, über den sich Jay oft bewundernd äußert. Doch keines der Heidenmädchen ist kräftig, und sie fürchten nichts mehr, als für knabenhaft gehalten zu werden. Unsere hartgesottenen Dörflerinnen sind es, die zu den Waffen greifen. Robin hat Tante Zara heute auf das nächste Sims geschickt, bewaffnet mit einer Spindel und einem Fleischermesser. Tante Zara kann es mit jedem Magier aufnehmen. Sie war schon immer eine halbe Hexe. Darum hasst sie mich so.
Endlich komme ich nun zur Schlacht, die schon seit zwei Tagen unter mir tobt, während ich webte – wie ich auch jetzt webe und webe und webe. Wenn ich schlafe, träume ich vom Weben. Doch seit dem Abend, an dem Kankredin die große Welle gegen uns lenkte, hat niemand viel geschlafen.
Jay sagt, sie habe sich langsam und aufmerksam genähert. Kankredin sah vielleicht nicht das große Netz, das im kochenden Sprühnebel am Fuß des Wasserfall aufgespannt war. Oder vielleicht verlachte er es auch, weil er nicht wusste, dass es das Werk eines Unvergänglichen war. Ich hörte von unten das immer wiederkehrende Bumm, bumm, bumm, mit dem die Welle sich erhob und zuschlug, um sich erneut aufzurichten. Entchen kam über die Wiese gehetzt und meldete mir keuchend, dass Kankredin den Zweck des Netzes zu spät erkannt habe. Das Netz zerriss unter der Welle, aber die Welle brach dabei zusammen. Ich hörte das Jubeln unserer Leute, als die Magier strampelnd zurück in den See geschwemmt wurden. Von dort entkam gut die Hälfte des Wassers, das sie gefangen hatten, und der Strom fließt wieder, wenn auch nur als schmales Rinnsal. Als Wasser können sie nun nicht mehr gegen uns anstürmen. Sie haben jedoch den Rest der Welle zusammengeballt und benutzen ihn nun als eine Leiter, um ihre Attacke die Wasserfälle hinaufzutragen.
Seit gestern Mittag stürmen sie gegen uns an – als Feuer, als Wölfe, als schuppige Ungeheuer mit Schnappmäulern und alle Arten von furchteinflößenden Geschöpfen. Jeder Magier kann als mehrere dieser Gestalten gleichzeitig erscheinen, sodass die Männer oft gegen ein Trugbild kämpfen, ohne dass dem Zauberer ein Leid geschieht. Die schlimmste ihrer Zauberkräfte aber erlaubt den Magiern, mitten im Wasserfall aufzusteigen, wo sie nur schwer zu erreichen sind. Hern hat Seile über die Fälle spannen lassen, an denen seine Kämpfer leichter in ihre Nähe kommen sollen. Und jedes Mal, wenn eine neue Welle von Albtraumgeburten heranstürmt, brüllen die Männer: »Nur Sterbliche!«, und hauen auf sie ein, ohne um ihre Seelen zu fürchten. Wir haben schon viele Männer durch Ertrinken verloren.
Sobald die Magier an die Netze kommen, sehen sie sich indes gezwungen, ihre wahre Gestalt anzunehmen. Davor fürchten sie sich und versuchen sie zu zerschneiden. Entchen und Tanamil sitzen reglos da, den Geist ganz auf jeden Knoten der
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