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Jones, Diana Wynne

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Titel: Jones, Diana Wynne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: 03 Der Fluss der Seelen
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zwischen uns denn Unterschiede?«
    »Beim Alter zum Beispiel.«
    »Was für ein klägliches Argument!«, rief Tanamil. Er klang ebenso angewidert, wie Hern geklungen hätte. Trotzdem war ich froh, weil ich sah, dass Robin versuchte, ihren Fehler wieder gutzumachen. »Hast du noch mehr alberne Ausflüchte?«
    »Das sind keine Ausflüchte; es sind Gründe«, erwiderte Robin kühl.
    »Ja, ich bin ungerecht. Dafür entschuldige ich mich«, sagte Tanamil.
    Ich fand, dass Robin trotz all ihrer Fehler besser mit ihm verhandelte, als ich es gekonnt hätte. Mit diesem Gedanken muss ich wieder eingeschlafen sein. Als ich das nächste Mal erwachte, hatte er Robin am Boden.
    »Ich begreife nicht, woher du das wissen kannst«, winselte sie auf ihre erbärmlichste Art.
    »Ich weiß es«, sagte Tanamil. »Außer Gull bist du am stärksten gefährdet. Das sage ich nicht nur, um dich zu überzeugen…«
    »Warum sagst du es dann?«, fragte Robin.
    »Ein Treffer«, antwortete Tanamil. »Robin, viel von der Zukunft kann ich nicht sehen, doch was ich erkenne, gefällt mir in keiner Weise. Bleib hier und lass die anderen gehen. Sie haben seine Zähigkeit geerbt. Du nicht.«
    Damit überließ er Robin den moralischen Vorteil, und sie ist sehr geübt darin, ihn zu ergreifen. »Und was würdest du von mir halten, wenn ich klein beigebe, nur weil ich von Geburt an schwächlich bin?«, wollte sie wissen.
    Mit dieser Antwort muss sie den Streit gewonnen haben, denn als ich wieder aufwachte, war Tanamil nicht mehr im Raum, und Robin schlief neben mir. Diesmal hatte mich Entchen geweckt. Er kauerte neben mir und war zur Hälfte rosig vom Feuerschein beleuchtet, während seine andere Hälfte in den Wirbeln und Kräuseln des Mondlichts gefangen war, das der Strom hinter der Türe zurückwarf.
    »Tanaqui«, wisperte er, »mir ist gerade etwas eingefallen. Erinnerst du dich noch an die Bootsladung von Leuten, von denen Tanamil sagte, sie seien Heiden?«
    »Ja«, sagte ich. Urplötzlich war ich von Misstrauen gegen Tanamil erfüllt. Er hatte Gull an sich gebracht, und nun umgarnte er Robin. Ich fragte mich, wie wir nur so verrückt sein konnten, bei ihm zu bleiben. Mir wurde klar, dass er uns mit einem Zauber dazu gezwungen hatte, und ich verlor vor Furcht fast den Verstand. »Was soll mit ihnen sein?«, fragte ich. »Sie waren keine Heiden, sie gehörten zu uns, nicht wahr?«
    »Nein«, flüsterte Entchen. »Das ist ja das Seltsame. Es waren echte Heiden. Sie hatten Haar, das unserem sehr ähnelte, und braune Gesichter – so wie seins –, und sie trugen seltsame Kleidung mit eisernen Hüten. Warum hat er sie nur Heiden genannt?«
    Hern hatte auf der anderen Seite des Feuers gelegen und setzte sich auf. »Bist du dir sicher?«, wisperte er.
    »Ganz sicher. Ich habe sie gesehen«, versicherte ihm Entchen.
    Wir alle blickten auf die kleine Figur von Gull, die auf dem Herd stand. Mir war übel. Hern sagte: »Dann hat er von Anfang an gewusst, wer wir sind. Wir …«
    Von draußen hörten wir ein Plätschern. Die Binsen im Eingang wiegten sich, und das Mondlicht ertrank im Schatten von Tanamil, der durch das Wasser watete. Wir vergruben uns in unsere Decken und lagen ruhig, damit er nicht merkte, dass wir wach waren. Und alle sanken wir in Schlaf. Auch Hern und Entchen erinnern sich an nichts, was über das Vergraben in die Decken hinausgegangen wäre.
    Am nächsten Morgen war Tanamil fort. Das Häuschen sah genauso aus, wie es mir ins Gedächtnis trat, als ich zum ersten Mal daran dachte. Aus altem Holz und roter Erde erbaut, schmiegte es sich an den Hang. Die eine Tür öffnete sich auf den sonnenbeschienenen Vorsprung zwischen den beiden Strömen. Wir froren. Das Feuer war erloschen, und ich glaube, es gab auch keine Decken mehr. Ganz gewiss sah ich keine, als ich vor unserem Aufbruch ein letztes Mal in die Kate blickte. Wir erhoben uns und beeilten uns bibbernd, in die warme Sonne zu kommen.
    Robin war als Erste dort, und sie trug die Figur von Gull. »Das soll wohl heißen, wir mögen uns trollen«, sagte sie mürrisch. »Ich hätte gedacht, dass er uns wenigstens Lebewohl wünscht.«
    »Er hätte uns ruhig ein Frühstück hinstellen können«, fand Entchen.
    »Wir haben Essen im Boot«, sagte Hern. »Kommt.«
    Das Boot lag, wo wir es verlassen hatten, und tanzte in der grünen Höhle zwischen den Binsen auf den Wellen. Unsere Vorräte und unsere Unvergänglichen waren noch immer an Bord.
    »Ich bin sehr erleichtert«, sagte Hern. »Steigt ein.

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