Jones, Diana Wynne
vielleicht Lohn dafür war, dass sie Kialan nach Norden brachten, aber Moril und Kialan wiesen sie daraufhin, dass Clennen sich dann ja selbst bezahlt hätte, weil er schließlich hinter der ganzen Geschichte steckte. Eine andere plausible Erklärung fiel ihnen jedoch nicht ein.
»Auf jeden Fall können wir uns morgen damit etwas zu essen kaufen«, sagte Brid. »Vater wäre doch bestimmt damit einverstanden gewesen.«
»Sei doch nicht dumm!«, rief Moril. »Wann hätten wir je ein Goldstück besessen? Man würde doch nur denken, wir hätten es gestohlen, und wenn wir verhaftet werden, dann kommt alles heraus.« Sorgfältig schob er die Goldmünze wieder unter das Stroh.
Brid seufzte. »Ein ganzer Korb voll Gold! Ach, du hast ja Recht. Das würde schon sehr merkwürdig aussehen. Ich gehe jetzt schlafen. Runter mit euch vom Wagen.«
Moril half Kialan, das Zelt aufzubauen. Danach war der Grafensohn so erschöpft, dass er eine Decke hinter sich her ins Zelt schleifte und in Schlaf sank, bevor die Sonne unterging. Moril hingegen fühlte sich zu aufgeregt, um gleich einzuschlafen. Er lehnte sich an die Felswand. Olob graste gesellig in der Nähe, und Moril schlug leise die Quidder an. Er spielte kein bestimmtes Lied, sondern stimmte auf der Suche nach Trost eine Melodie an, wechselte dann zu einer anderen, er probierte mal diesen, mal jenen Akkord. Fast kam es ihm vor, als spiegele er damit seinen Gemütszustand wider. Noch immer konnte er kaum glauben, dass sein Vater ein berüchtigter Geheimagent gewesen sein sollte. Von allen Entdeckungen der letzten Tage machte ihm diese Enthüllung am meisten zu schaffen. Er hatte geglaubt, Clennen gut zu kennen, und musste sich nur eingestehen, dass er von seinem Vater nur sehr wenig gewusst hatte. Wann hatte wohl Dagner vom wahren Leben Clennens erfahren, und was hatte er dabei empfunden? Moril versuchte nach Kräften, sich Clennen in dieser ungewohnten Rolle vorzustellen.
Eigentlich aber wollte er gar nicht an seinen Vater denken. Dabei trat ihm nämlich immer wieder vor Augen, wie dessen Blut in den See rann, und diesen Anblick wollte er vergessen. Er mochte auch nicht darüber nachsinnen, wie Clennen einerseits so in der Öffentlichkeit hatte stehen und zugleich so voller Geheimnisse sein können. Stattdessen verlor sich Moril allmählich in verschwommenen Erinnerungen an noch weiter zurückliegende Zeiten. Er stellte sich vor, wie der Wagen im Norden eine Grüne Straße hinunterfuhr. Clennen saß auf dem Kutschbock und sang, Lenina war hinter ihm mit Flickarbeiten beschäftigt, und die drei Kinder spielten glücklich auf den Truhen. Die Sonne schien… – und plötzlich gab zu Morils Erstaunen die Quidder einen höchst eigenartigen Ton von sich. Moril mochte ihn überhaupt nicht, und Olob wandte den Kopf und bedachte das Musikinstrument mit einem Blick tiefer Missbilligung.
»Zeit zum Schlafen«, sagte Moril zu Olob. Er stand auf und ging zum Wagen, um die Quidder an ihren Platz zu stellen.
Im Wagen war es warm, und Brid und der Weinkrug schienen ihn völlig auszufüllen. Moni zögerte, er dachte an Kialans lebhafte Ellbogen und Knie. Doch diese Wärme im Wagen war ihm zuwider, also nahm er sich eine Decke und zwängte sich zu Kialan in das Zelt.
Zum Glück war der Grafensohn so erschöpft, dass er sich im Schlaf nicht regte.
Am Morgen erwachten sie erfrischt und munter, nur Brid war sehr ernst, aber nachdem sie Kialans gebratene Speckstreifen gefrühstückt hatten, ging es auch ihr besser. Moril holte Olobs Geschirr herbei, um es zu reinigen. Er war fest entschlossen, ihr Gespann so schmuck und unschuldig wie möglich aussehen zu lassen. Ohne dass man ihn bitten musste, begann Kialan, Olob zu striegeln. Nun erst wurde Moril klar, dass Kialan seit ihrem Aufbruch aus Markind seinen Beitrag zu allen täglichen Arbeiten leistete, ohne dass es jemand bemerkt oder ihm gar gedankt hatte.
»Du brauchst dich nicht um Olob zu kümmern«, sagte er. »Ich mach das schon.«
»Soll ich hier herumstehen und zusehen, wie ihr euch abschuftet?«, entgegnete Kialan. »Na los, Olob, beweg dich schon, du faules Stück.«
»Früher konntest du das sehr gut«, sagte Brid, die gerade die Bratpfanne sauberscheuerte. »Und du bist ein Grafensohn!«
Kialan setzte ein höchst verdrossenes Gesicht auf. »Ich wusste, dass ihr mir das früher oder später unter die Nase reiben würdet!«, rief er. »Zuerst habe ich nicht gewusst, was überhaupt zu tun ist, und außerdem schien ihr alles
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