Jones, Diana Wynne
herunterbekommt.«
»Das Schwert ist hier?« Moril war so verblüfft, dass seine Stimme plötzlich gicksend überkippte.
Die Dame fuhr zu ihm herum. »Warum bist du deswegen so überrascht?«
»Na ja«, sagte Moril voll Unbehagen, »ich habe gehört… die Barden sagen… dass die Frau des Adons – Manaliabrid – das Schwert versteckt hat, als sie wieder zu den Unvergäng … – zu ihrem eigenen Volk zurückkehrte.«
»Und so war es auch«, sagte Wends Schwester. »Meine arme Tochter. Sie glaubte, ihr Adon wäre ebenfalls ein Unvergänglicher – und wie ich ihr sagte, hätte er nach allem, was wir wussten, tatsächlich ein Unvergänglicher sein können, doch wenn ein Mann sich zum König macht, dann lenkt er die Meuchler auf sich, und früher oder später hat einer von ihnen Glück. Es gibt viele Möglichkeiten, die Unvergänglichen zu töten, wenngleich sie nicht leicht sterben.«
»Manaliabrid ist deine Tochter?«, fragte Moril.
»Das ist richtig«, sagte die Dame. Sie verschränkte die Arme und blickte amüsiert in Morils ehrfürchtiges Gesicht. »Und der Name, unter dem ihr alle mich kennen werdet, lautet Cennoreth. Habe ich Recht?«
»Dann bist du eine Hexe«, sagte Mitt.
»Du bist die Weberin«, sagte Moril.
Beide sahen sie Wend an. »Meine Schwester ist beides«, sagte er.
»Das will ich doch meinen!«, fauchte Cennoreth.
»Aber du …«, sagte Moril zu Wend.
»Er hieß Tanamoril«, sagte Cennoreth und zwängte sich energisch zwischen den Spindelstapeln hindurch, »er hieß Osfameron, Oril, Wend, Mallard der Magier – wenn jemand lange lebt, dann häufen sich die Namen an. Also, wollt ihr das Schwert nun haben, oder doch nicht? Hier ist es.«
Dem Fenster gegenüber befand sich ein gemauerter Kamin in der Wand, der genauso hübsch gemeißelt wie die Vertäfelungen beschnitzt waren. Über dem Kaminsims hing ein langer, dunkler Gegenstand an der holzvertäfelten Wand. Maewen und Mitt hielten ihn zunächst für einen ausgestopften Fisch, doch nachdem sie sich zwischen den Spindeln hindurch dem Kamin genähert hatten, sahen sie, dass es wirklich ein Schwert war, ein recht einfaches offenbar, das in einer Scheide aus schwärzlichem Leder steckte. Die Waffe war deswegen so schwer in dem halbdunklen Zimmer zu erkennen, weil sie mit unzähligen langen Lederstreifen an die Wand gebunden war. Die Riemen hatte jemand an etwa hundert rostige Nägel festgeknotet, die oberhalb und unterhalb des Schwertes aus dem Holz ragten. Die Streifen waren verknotet, ineinander geschlungen und nochmals verknotet worden, bis das Schwert in einer Art Korb aus Ledergurten hing.
»He, Moril!«, rief Mitt.
Der Bardenjunge stand noch immer an der Tür und starrte Wend voll Staunen und Verwunderung über die Schulter hinweg an. Mitt verstand ihn gut. Nach diesem Mann war Moril gleich zweimal benannt: dem Helden der Hälfte aller Geschichten, die Barden zu erzählen lernten. Zu alledem war er noch Morils Ahnherr. Wend trat befangen auf der Stelle, als ob er – ganz wie ein gewöhnlicher Mensch – nicht recht wüsste, was er sagen sollte. Als Moril sich nun Mitt zuwandte, war Wend offensichtlich erleichtert.
Moril drängte wie ein Schlafwandler grinsend durch die Spindeln, und Wend sagte unbeholfen: »So etwas kommt vor … wenn man lange genug lebt. Mach dir deswegen keine Gedanken – oder wenigstens nicht allzu viele.«
»Sich deswegen keine Gedanken machen!«, rief Moril und sah zum Schwert und dem Riemenkorb hoch. »Das ist ja wohl ein bisschen viel verlangt! Diese Lederbänder sind verknotet und bilden Kreuze. Das muss doch einen Haken haben.«
»Sehr richtig.« Cennoreth stand mit verschränkten Armen am Kamin. »Du bist ein sehr aufmerksamer Junge. Ihr müsst aber wissen, dass ich nichts mit dem Schwert zu tun habe. Meine Tochter hat es dort oben festgenagelt. Vergesst nicht, dass sie verrückt war vor Trauer – obwohl ich annehme, ihr alle seid noch zu jung, um zu wissen, wie das ist. Ihr müsst versuchen, ihr zu vergeben. Sie war auch sehr enttäuscht von ihren Kindern. Sie hat zu viel von ihnen erwartet, aber ich bin nur ihre Mutter, und wie das so ist, konnte ich sagen, was ich wollte, es spielte keine Rolle. Sie hängte also das Schwert für die Kinder ihres Blutes und des Adons dort oben mit Kreuzen und Knoten auf, wie der Rotschopf richtig bemerkte. Von diesen Kindern gibt es heute sehr viele, und ich hatte ihr gesagt, dass es so kommen würde, wenn nur genügend Zeit vergeht, aber auch da wollte sie nicht
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