Jones, Diana Wynne
auf mich hören.«
»Wo ist denn nun der Haken?«, fragte Mitt.
Cennoreth zuckte mit den Achseln. »Die Knoten müssen gelöst werden, ohne dass man das Schwert oder die Scheide berührt, und das Schwert muss gezogen werden, bevor es Holz, Stein oder Erde berührt. Meine Tochter hat auch von ihren Kindeskindern zu viel erwartet, wenn ihr mich fragt, aber meine Ansicht war ihr gleich.«
Alle hoben den Blick zu dem Schwert, das in seinem Fadenspiel aus Leder an der Wand hing. Die Riemen waren vom Alter schwarz, und dicker Staub hing auf ihnen. Maewen konnte genau erkennen, dass jeder einzelne Knoten von Anfang an sehr straff gezogen und im Laufe der Jahre – wie vieler? Zweihundert? – steif geworden war, sodass es fast unmöglich sein musste, ihn zu lösen. Schon der Gedanke an das tiefe Elend, das jemanden zu solch einem Schritt bewegte, war ihr unerträglich. Ob man das Leder anfeuchten und die Knoten auf diese Weise lösen konnte? »Was geschieht, wenn man die Regeln bricht?«, fragte sie.
»Das hat meine Tochter nicht gesagt«, antwortete Cennoreth.
»Aber du kannst davon ausgehen, dass du das Schwert dann nicht bekommst, Herrin«, fügte Wend hinzu, der noch immer auf der anderen Seite des Zimmers stand.
Erneut starrten sie das Schwert an. Es hing hoch außerhalb von Maewens Reichweite. Wenn ich mich auf den Kaminsims knie … das Leder könnte schon so alt sein, dass es mir unter den Fingern zerkrümelt, wenn ich es berühre. Außerdem brauche ich dieses Schwert doch eigentlich gar nicht… auch wenn es eine Schande wäre, nachdem ich nun schon den Ring und den Kelch habe.
Moril überlegte eine Weile. Dann setzte er sich auf den nächsten Stapel Spindeln und begann, die Quidder aus der Hülle zu nehmen.
»Was machst du da?«, fragte ihn Mitt.
»Das Leder ist zu Anfang glatt gewesen«, antwortete Moril. »Die Quidder könnte die Wahrheit sprechen und es wieder glätten.«
Das wäre wirklich möglich!, begriff Mitt. Mit einem trockenen Knacken ordneten sich vor seinen Augen die Teile des Rätsels, und er sah nun, dass Moril und er viel zu überrascht gewesen waren, um die Angelegenheit in Ruhe zu überdenken. Warum denke ich nie genau nach?, fragte er sich ärgerlich. Kankredin sprach zu Noreth und Noreth hatte ihm ihr ganzes Leben lang zugehört. Auch wenn Moril und er mit Kankredin fertig werden sollten – eine kühne Hoffnung, wo doch sogar der Eine selbst nicht dazu in der Lage war –, als Allerletztes sollten sie Noreth helfen, Königin zu werden. Das ganze Land fiele sonst Kankredin in die Hände. Also – Manaliabrids Anweisungen missachten, und zwar schnell.
Mitt war als Einziger groß genug, um das Schwert anfassen zu können. »Nein. Das dauert doch viel zu lange«, sagte er zu Moril.
Morils Finger erlahmten und zupften ungeschickt an den Saiten der Quidder. Mitt erkannte daran, dass auch Moril die Gefahr erkannt hatte. Er wandte sich von dem Bardenjungen ab und zog sein Messer, zwängte sich zwischen Maewen und Cennoreth hindurch, hob den Arm und durchtrennte längs des Schwertes so schnell als möglich so viele Knoten, wie er konnte.
»Pass auf! Fang es, wenn es fällt!«, rief er fröhlich.
Eigentlich hatte er zu spät rufen wollen. Doch zu seinem Verdruss gaben die vom Alter spröden Riemen nicht alle sofort nach. Er war gezwungen, erneut zu schneiden, und dann noch einmal. Selbst dann hatte er erst die spitze Ende der Scheide gelöst. Mitt beobachtete zufrieden, wie sie sich langsam auf den Kaminsims senkte und die anderen Riemen durch ihr Gewicht zerriss.
Maewen rief: »Vorsicht!«, und warf sich, beide Arme ausgestreckt, nach vorn. Sie kam gerade rechtzeitig, um die Spitze zu fangen. Die Quidder dröhnte, als Moril sie hastig abstellte und ebenfalls vorstürzte, um ihr scheinbar zu helfen. Tatsächlich behinderte er Maewen kunstvoll und packte die Schwertscheide. Maewen indes gab nicht nach. Moril gelang es schließlich, unauffällig die lange Kaminbürste mit dem Eisengriff zu lösen, die neben dem Rost hing. Klappernd geriet sie Maewen zwischen die Beine.
Meine Güte!, dachte Mitt. Bei Hadds Unterhosen! Er packte das Schwert beim Heft und riss trotz der Riemen daran. Dadurch musste er es doch ablösen und gleichzeitig dafür sorgen können, dass es dabei die Wand oder den Kamin berührte.
Die fallende Kaminbürste löste eine Lawine aus. Das Kaminbesteck stürzte laut klirrend um: Rührlöffel, Röstgabeln, ein geschlitzter Löffel, Schaufeln, zwei Schürhaken, ein
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