Jones, Diana Wynne
Lücke zwischen den Spindeln zur anderen. Mit einem Knall fiel die Tür zur Küche hinter ihm ins Schloss.
Zutiefst erschüttert blickte Maewen Mitt und Moril an. Sie fürchtete, sie wären genauso zornig auf sie wie Wend. Was sie jedoch in ihren Gesichtern las, war einfache, innigste Erleichterung. Mitt warf ihr sogar ein unsicheres Grinsen zu, während er Cennoreth fragte: »Hat dein Bruder das öfter?«
Cennoreth blickte stirnrunzelnd aus dem Fenster auf die Felsen und die Apfelbäume, während sie sich geschäftig und geistesabwesend zugleich mit ihrer Webearbeit befasste und einen Faden dunkelgrünen Garn neben dem baumelnden scharlachroten Schiffchen abband. Fast wie Mutter, wenn sie sich über etwas ärgert, dachte Maewen. Auf Mitts Frage hin zuckte Cennoreth zusammen und blickte auf das, was ihre flinken Finger gerade taten. »Ach je«, sagte sie. »Ihr müsst Nachsicht mit meinem Bruder haben. Manchmal hat er einfach das Gefühl, dass jede einzelne sterbliche Seele ihn im Stich lässt. Er kann sich so benehmen, wenn er wirklich mit dem Herzen bei einer Sache ist. Ich nehme an, er sucht jetzt nach dem richtigen Mädchen.« Sie seufzte. »Ich glaube, ihr geht lieber und holt euch die Lebensmittel, die ich euch versprochen habe; sie liegen auf dem Küchentisch. Eure Freunde warten schon auf euch.«
Sie wandte sich wieder dem Webstuhl zu. Mitt und Moril nickten sich zu, und die drei schlängelten sich zwischen den Spindeln hindurch zur Küchentür. In der Küche war nichts von Wend zu sehen, doch auf dem Tisch standen ein irdener Krug mit Milch, dazu Butter, eine Schale Eier und ein runder Ziegenkäse. Maewen fragte sich, ob Wend das Essen dorthin gestellt hatte, und hob den Kopf. Mitt und Moril sahen sie über den Tisch hinweg vielsagend an. Jetzt geht’s los!, dachte sie.
»Wer bist du wirklich? Du hast gesagt, du bist eine Bardin«, fragte Moril.
»Bard – das ist mein Nachname«, erklärte Maewen. »Mein Vater sagt, wir hätten Bardenblut in den Adern. Glaubt es oder nicht, aber er hat mir an dem Abend, bevor ich fort bin, unseren Familienstammbaum gezeigt, aber der Teil, der in diese Zeit reicht, ist ziemlich verworren, deshalb weiß ich nicht, ob ich mit dir verwandt bin.« Es tat so gut, wieder sie selbst sein zu können, dass sie noch eine Viertelstunde hätte weiterplappern können. »Ich heiße zwar Bard, dabei kann ich nicht mal singen …«
»Wie fern in der Zukunft lebst du?«, fragte Moril.
»Oh. Äh, zweihundert Jahre, glaube ich.«
Moril und Mitt blickten sich an. »So lange!«, sagte Mitt. »Dann musst du doch wissen, was hier passieren wird, richtig?«
»Nein, eigentlich nicht«, gestand Maewen. Sie war ein wenig enttäuscht, dass die beiden sich anscheinend nur für die unmittelbare Zukunft interessierten. Sie hatte sie mit Flugzeugen, mit Computern und Fernsehgeräten beeindrucken wollen. »Die Geschichte weiß gar nichts von den Unvergänglichen oder den Grünen Straßen«, erklärte sie. »Es geht dabei hauptsächlich um Könige und Politik. In der gesamten Geschichte, die ich gelernt habe, kommt keine Noreth vor, aber ich will euch sagen, wer: Amil der Große. Ich bin mir fast sicher, dass er bald auftaucht.«
»Wer?«, fragte Mitt.
»Amil«, sagte Moril in anklagendem Ton. »Das ist kein Name für einen König. Das ist einer der geheimen Namen des Einen.«
»Was ist mit ihm?«, fragte Mitt. »Erzähl.«
Maewen sammelte ihre Gedanken. »Nun, es gab einen großen Aufstand, und Amil der Große gewann die Krone und einte ganz Dalemark. Er hat sehr lange geherrscht und Karnsburg wieder aufgebaut und das ganze Land verändert.«
»Aha«, sagte Moril. Das klang gut. Wenn er und Navis daran nur teilnahmen, konnten Keril und die Gräfin ihnen gestohlen bleiben. »Wann geht dieser Aufstand los?«
»Ich habe das Datum vergessen«, gab Maewen zu – so etwas Dummes, wenn man bedachte, wie oft sie es im Palast gehört hatte –, »aber es kann nicht mehr als ein Jahr in der Zukunft liegen. Ich habe mir die ganze Zeit gesagt, dass ich nur so lange durchhalten muss, bis Amil kommt.«
»Wo taucht er denn zuerst auf?«, fragte Mitt. Er wollte wissen, wohin er sich begeben musste.
Maewen zerbrach sich erneut den Kopf und wurde allmählich ärgerlich, dass sie offenbar einzig und allein dazu aus ihrer Lügengeschichte befreit worden war, um sich in Geschichte prüfen zu lassen. Das hätte sie Mitt auch entgegnet, wenn sie nicht der Meinung gewesen wäre, ihnen etwas schuldig zu sein. Das
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