Jones, Diana Wynne
davon, um seinen Stolperdraht zu überprüfen. Bis er ihn gefunden hatte, verging eine ganze Weile. Statt der Binsen wuchsen nun Disteln und Brombeersträucher auf dem Weg. Als sie den Draht endlich entdeckten, lag er ungespannt ein ganzes Stück weit den Hügel hinauf. Von dort sahen sie alle, dass der See von Gestern heute nur noch ein großer grüner Teich war.
Hestefan blickte ihn düster an. »Diese Veränderung ist das denkbar schlimmste Vorzeichen.«
»Ach, hör schon auf«, sagte Maewen und vergaß, wie wenig Hestefan sie anscheinend leiden konnte. »Wir haben immerhin das Schwert.«
Hestefan richtete seinen düsteren Blick auf sie. »Die Stadt aus Gold steht immer auf dem fernsten Berg«, sagte er. Bevor Maewen oder Mitt ihn fragen konnten, was das heißen sollte, fuhr er fort: »Ich glaube, wir sollten von nun an getrennter Wege gehen.«
Moril stieß ein kurzes, empörtes »Oh!« aus, und Mitt entgegnete: »Navis und ich können uns nicht trennen, das steht endgültig fest.«
»Aber du kannst getrennter Wege gehen, Barde, sehr gern sogar«, fügte Navis hinzu.
Das Frühstück verschaffte niemandem bessere Laune; als sie aufbrachen und feststellen mussten, dass der Weg aus Schlamm und Sumpf bestand und kaum den nötigen Platz bot, um den Wagen um den Teich zu manövrieren, verfinsterte sich Hestefans Laune sogar noch mehr. Während sie langsam zum Flussufer hinabfuhren, murmelte Navis: »Die Unvergänglichen machen schon einen großen Unterschied aus.«
Alle waren froh, als sie wieder die Stelle erreichten, an der die Grüne Straße den Fluss überquerte, und sie unverändert vorfanden. Sie sahen sogar noch, wo die Reiter, von denen sie verfolgt wurden, über den durchnässten Rasen ins Wasser und wieder hinaus galoppiert waren.
»Seid vorsichtig«, sagte Navis, »denn jetzt haben wir die Verfolger vor uns…« Er fuhr erstaunt herum, als auch der Wagen durch den Fluss platschte. Seine Räder wirbelten das Wasser auf. »Ich dachte, du wolltest uns verlassen, Barde.«
»Man kann ja nur in zwei Richtungen fahren«, erklärte Hestefan, »und umkehren möchte ich nicht.«
Anscheinend war das seine Art zu sagen, dass er sie doch nicht verlassen werde. Und so zogen sie weiter wie zuvor, nur Wend fehlte und schritt nicht mehr neben dem Wagen einher; dafür schloss sich ihnen der Fluss Wassersturz an, der sich manchmal in der Ferne schlängelte, manchmal gleich neben ihnen rauschte und immer breiter wurde. Nach einer langen Strecke erreichten sie eine Stelle, wo der Trupp Gefolgsleute sein Nachtlager aufgeschlagen hatte. Viel gab es nicht zu sehen außer Hufabdrücken und kalter Asche, doch Navis wurde wieder sehr vorsichtig. Von da ab hielt er entweder nach Spuren Ausschau oder spähte nach beiden Seiten in die Ferne.
Doch die Umgebung war leer bis auf grüne Schafweiden und weit entfernte dunkle Spitzen; sie sahen aber viele Schafe und hin und wieder weitab der Straße auch einen Hirten. Maewen ertappte sich, dass sie jeden Hirten scharf ansah und erwartete, dass er mit langen Schritten auf sie zueile und sich als Wend entpuppte. Doch wenn überhaupt, drehten sich die Schafhirten nur zu ihnen um und blickten sie an. Maewen war recht überrascht, dass sie Wend sosehr vermisste.
Als sie in jener Nacht am Fluss kampierten, bestand Navis darauf, dass sie sich einen Lagerplatz fernab der Straße suchten, der von dort aus nicht gesehen werden konnte. Hestefan folgte ihm mit dem Wagen das Flussufer entlang und bemerkte fröhlich, als hätte er niemals damit gedroht, sie allein zu lassen: »Ohne einen Fußgänger, der uns bremst, kommen wir wirklich gut voran. Morgen erreichen wir schon Wassersturz.«
Als sie Halt machten, sprang Moril hinten aus dem Wagen und ging zu Mitt. »Ich bin ja so erleichtert«, sagte er. »Ich weiß nicht, was ich getan hätte, wenn er wirklich entschieden hätte, euch allein zu lassen. Ich bin mir sicher, dass es ihm nicht gut geht.«
Maewen führte ihr Pferd ans Wasser. Wend ging ihr einfach nicht aus dem Kopf. Sie war so sicher gewesen, dass er seinen Zorn überwinden und wiederkommen würde, doch nun zeichnete sich immer deutlicher ab, dass er nicht zurückkehrte. Er folgte Noreth, nicht ihr. Was also sollte sie tun? Sie hatte sich, wie sie nun begriff, darauf verlassen, dass Wend sie in ihre eigene Zeit zurückbringen würde. Doch vielleicht würde sie immer in der Vergangenheit bleiben. Sie dachte an Mutter und Tante Liss und Vater und spürte eine leise Furcht – aber
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